Mit dem Begriff „Benin-Bronzen“ werden Objekte aus Kupferlegierungen bezeichnet, die im Königsplast von Benin-City, heute Bundesstaat Edo in Nigeria, damals Hauptstadt des Königreichs Benin, aufbewahrt und präsentiert wurden. Im Jahre 1897 wurden Stadt und Palast bei einer britischen „Strafexpedition“ zerstört und geplündert. Die höfischen Kunstobjekte gelangten anschließend in zahlreiche Privatsammlungen und Museen in Europa, Amerika und anderen Gebieten. Seit geraumer Zeit gibt es Forderungen aus Nigeria, unter anderem vom heutigen König (Oba), diese Objekte zu restituieren. Die Debatte in Deutschland, auch in den Medien, hat sich intensiviert, seit am 29. April 2021 die „Erklärung zum Umgang mit den in deutschen Museen und Einrichtungen befindlichen Benin-Bronzen“ veröffentlicht wurde, gezeichnet von Staatsministerin für Kultur und Medien, Prof. Dr. Monika Grütters, aber auch anderen politischen Vertretern und Repräsentanten der größten deutschen Benin-Sammlungen in den ethnologischen Museen der Städte Berlin, Hamburg, Köln, Leipzig/Dresden und Stuttgart.
Zum Sammlungsbestand in den Reiss-Engelhorn-Museen
Die Reiss-Engelhorn-Museen besitzen nach aktuellem Stand der Forschung etwa 30 Objekte, die möglicherweise mit den Plünderungen von 1897 in Zusammenhang stehen, bzw. aus dem königlichen Palast stammen können. Diese Zahl kann nach weiteren Untersuchungen noch schwanken. Es handelt sich um etwa fünfzehn „Benin-Bronzen“, darunter drei Skulpturenköpfe, drei Reliefplatten, Glocken, Gefäße und Waffen. Elfenbeinstoßzähne und Holzobjekte gehören ebenfalls in diesen Kontext. „Die Objekte gelangten größtenteils in den 1920er Jahren durch Ankauf nach Mannheim, einige auch durch den staatlich angeordneten Ringtausch mit Karlsruhe von 1935. Die Herkunft der Objekte lässt sich bei den Ankäufen nur zu den Händlern, von denen erworben wurde, verfolgen. Auf welchen Wegen sie zu diesen Händlern gelangten, ist uns nicht bekannt.“ stellt Dr. Sarah Nelly Friedland, Direktorin Archäologie und Weltkulturen an den Reiss-Engelhorn-Museen fest.
Aktuelle Maßnahmen
Die Aufarbeitung von Sammlungen aus kolonialen Kontexten stellt die Museen in Deutschland vor große Herausforderungen. Oft fehlt es an der finanziellen und personellen Ausstattung, um diese wichtige Aufgabe adäquat bewältigen zu können. Um die Provenienz der rem-Bestände zum Königtum Benin erforschen zu können, haben die Reiss-Engelhorn-Museen jetzt beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste (DZK) einen Forschungsantrag gestellt. Mit dem vorhandenen Personal lässt sich diese aufwändige Arbeit nicht bewältigen. Um sich jedoch jetzt schon transparent an der Aufarbeitung der Thematik zu beteiligen, wurde an das Projekt „Digital Benin“ eine erste Übersicht über die Bestände übermittelt. Diese werden in Kürze auf der Benin-Plattform der Kontaktstelle für Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten veröffentlicht www.cp3c.org/benin-bronzes/. Zudem stehen die Reiss-Engelhorn-Museen in Kontakt mit Mitgliedern der Benin Dialogue Group, in der sich die Museen mit den größten Benin-Sammlungen organisieren.
„Die Erforschung unserer Benin-Bestände, wie insgesamt die Frage nach dem Umgang mit unseren Beständen aus kolonialen Kontexten, liegt uns sehr am Herzen“ stellt Prof. Dr. Wilfried Rosendahl, Generaldirektor der Reiss-Engelhorn-Museen, fest. „Umso unglücklicher ist der Umstand, dass uns die personellen Mittel fehlen, die Provenienzforschung zu den ‚Benin-Bronzen‘ sofort im vollen Umfang in Angriff zu nehmen. Hier hoffen wir darauf, dass unser kurzfristiger Antrag beim DZK etwas Abhilfe schaffen kann.“
Unabhängig von den personellen und finanziellen Voraussetzungen beteiligen sich die Reiss-Engelhorn-Museen jedoch bereits an den in der Erklärung vom 29. April 2021 gezeichneten Schritten: Objektlisten werden zur Veröffentlichung weitergereicht und es besteht ein reger Austausch mit anderen Museen und Institutionen, die zum Teil ihre Objekte von den gleichen Sammlern und Händlern wie die Reiss-Engelhorn-Museen bezogen haben. Zum Beispiel erfolgen in Kooperation mit dem Badischen Landesmuseum in Karlsruhe wichtige Recherchearbeiten, um ausgehend vom Ringtausch die Geschichte der „Benin-Bronzen“ weiter beleuchten zu können.