Frauenbild um 1900

Um 1900 schwankt das in der Kunst propagierte Frauenbild zwischen verruchter Femme fatale und sittsamer Ehefrau, deren Aufgabe es ist, „der schönste Schmuck des Mannes“ zu sein. Auch im Mannheim der Belle Époque finden sich zahlreiche Beispiele.

Die „Femme fatale“ ist ein neuer Frauentypus der Belle Époque und wird Ziel künstlerischen Interesses. Ob verführerische Eva, männerverschlingender Vamp oder Madonna mit Engelsgesicht – sie hat bis heute nichts von ihrer Popularität verloren.

Sarah Bernhardt, eine der ersten Schauspieldiven, lebt das Bild einer Femme fatale auch im Privatleben aus. Am Nationaltheater Mannheim gibt sie erstmals 1903 mit bereits 59 Jahren ihr Gastspiel als jugendliche Kameliendame. Ein Jahr später bereits begeistert sie das Mannheimer Publikum in einer Hosenrolle in „L’Aiglon“ des französischen Dramatikers Edmond Rostand. Ebenso feiert sie aber auch Triumphe als biblische Verführerin „Salome“ im gleichnamigen Stück von Oscar Wilde.

Ein weiteres prominentes Beispiel ist La Goulue – was übersetzt „die Unersättliche“ bedeutet. Über Tag Wäscherin, sorgt sie abends als Cancan-Tänzerin im legendären Moulin Rouge für Furore und tritt als Raubtierbändigerin auf Jahrmärkten auf. Außerdem steht sie bekannten Malern wie Henri de Toulouse-Lautrec Modell. Ihr sehnlicher Wunsch einer Solokarriere als Tänzerin erfüllt sich jedoch nicht. Stattdessen endet sie in Armut als Alkoholikerin.

Auch berühmte Kurtisanen gelten in dieser Zeit als Femmes fatales. Waren im 18. Jahrhundert die Mätressen der Fürsten einflussnehmend und stilprägend, so sind es im 19. Jahrhundert die Kurtisanen, denen ihre reichen Verehrer einen luxuriösen Lebensstil ermöglichen.

Schattenseite Prostitution

Demgegenüber steht die Prostitution vieler Frauen, die damals vom Land kommen und in den Fabriken arbeiten. Um in den Städten überleben zu können, prostituieren sie sich und infizieren sich nicht selten mit Syphilis oder verfallen dem Alkohol.

1908 sind in Mannheim offiziell 45 Prostituierte registriert. Doch die Dunkelziffer liegt weitaus höher. In der damaligen Gutemannstraße gehen viele ihrem Gewerbe nach. Dort fahren am Abend feine Herren in Kutschen oder Automobilen vor. Orte der Begierde sind stark frequentiert und häufig Thema von Karikaturen.

Schicksalsfrauen und Malerfürsten

Auf der anderen Seite wird die Kunst der Belle Époque vom Bild der bürgerlichen Frau dominiert. Schönster Schmuck des Mannes soll sie sein, sittsam als Ehefrau wie Mutter und zugleich attraktiv und gesellschaftsfähig. Dies drückt sich in unzähligen Porträts dieser Zeit aus.

Damalige Malerfürsten wie Franz von Lenbach und Franz von Stuck huldigen ihrem weiblichen Publikum in anmutigen Posen und schmeichelhaftem Äußeren, was ihren Erfolg zusätzlich steigert. Im Vordergrund stehen künstlerische Perfektion und psychologische Erfassung des Gegenübers. Als „Seelenmaler“ verstehen sie es, das Innerste der Porträtierten nach außen zu kehren, wie der aus Mannheim stammende Otto Propheter. Zahlreiche hochstehende Damen der Mannheimer Gesellschaft lassen sich von ihm porträtieren, darunter Julia Lanz, Anna Reiß, Elise Grün und Helene Röchling.

Doch die Abhängigkeit vom Auftraggeber macht sie auch zu Modemalern ihrer Zeit. Wie bei  Ferdinand Keller, Professor für Malerei in Karlsruhe, droht der Porträtstil in akademischer Perfektion sowie modischer Beliebigkeit zu erstarren. Dabei erinnern die statuarischen Posen der Dargestellten an Porträtfotografien – oft Vorlagen für die Gemälde – um die damals große Nachfrage nach Gesellschaftsporträts bedienen zu können.

Neugierig geworden?

Boom-Zeit, Mode, Frauenbild und Mobilität – mehr über Mannheim um 1900 erfahren Sie in der Ausstellung Belle Époque.

Gehen Sie mit Kurator Andreas Krock auf eine Video-Führung durch die Schau oder werfen Sie einen Blick in die Begleitpublikation.