Bühnentechnik ohne Strom

Heute arbeiten Bühnen mit modernster Technik, um Publikum und Sinne zu fesseln. Aber auch im 18. Jahrhundert gab es bereits beeindruckende mechanische Bühneneffekte – und das ganz ohne Strom. Das Dalberg’sche Bühnenmodell gewährt faszinierende Einblicke in die ausgeklügelte Theatermaschinerie der damaligen Zeit. Es ist ein Höhepunkt unserer bedeutenden Theatersammlung.

Zeitgenössisches Theater muss sich mit der medialen Bilderflut, einer schnellen Bildwahrnehmung und der Omnipräsenz besonderer Geräuschs-, Geruchs- oder Lichteffekte messen. Dem wird mit einer ausgefeilten Bühnentechnik Rechnung getragen, die sich moderne Soundgeräte, Beleuchtungsapparate oder starke Motoren zu Nutze macht. Kaum vorstellbar – doch Bau und Einrichtung von Verwandlungsbühnen sowie besondere Effekte waren dank einer ausgeklügelten mechanischen Bühnentechnik bereits im ausgehenden 18. Jahrhundert möglich. Ein eindrucksvoller Beleg dafür ist das Dalberg’sche Bühnenmodell.

Wolfgang Heribert von Dalberg

Das Modell ist nach der Familie Dalberg benannt, der der erste Intendant des Mannheimer Nationaltheaters entstammt: Wolfgang Heribert von Dalberg (1750-1805)

Dem Stadtplan Mannheims liegen bis heute in der Innenstadt die berühmten Quadrate zugrunde. Dort bewohnte die Familie Dalberg zunächst im Quadrat B 1, 10 ein Palais. Wohl im Laufe des Jahres 1782 hatte sich Wolfgang Heribert von Dalberg im Quadrat N 3, 4 eingemietet – im heutigen Dalberghaus. Er bekleidete hohe Ämter: Seit 1775 hatte Dalberg das Amt eines Obrist-Silberkämmerlings inne, 1778 war er Vizepräsident der Hofkammer, 1780 wurde er Mitglied des Geheimen Rates, was ihm Einblicke in die Regierungsgeschäfte der Kurpfalz ermöglichte, bis er schließlich 1791 bis 1803 Präsident des Oberappelationsgerichtshofs – also der obersten pfälzischen Justizbehörde – wurde.

Mit kurfürstlichem Reskript – einem amtlichen Bescheid – vom 1. September 1778 wurde Dalberg die Oberaufsicht über die Mannheimer „National-Bühne“ übertragen, die bereits im Januar 1777 eröffnet worden war. Damit war er der erste Intendant dieses Hauses und stand ihm bis 1803 fast 25 Jahre vor. 1778 war Dalberg zudem Obervorsteher der Kurpfälzisch Deutschen Gesellschaft geworden. Schon zuvor hatte er sich auch als Theaterautor und Übersetzer von Stücken hervorgetan, da diese in der Landessprache aufgeführt werden sollten. Damit wollte der Intendant Aufklärung erlebnisnah gestalten. Mit diesem innovativen, vom absolutistischen Fürsten Carl Theodor geförderten Format ging eine weitere Neuerung einher: Ein Theaterausschuss – bestehend aus Intendant, Schauspielern und weiteren Akteuren – diskutierte über das Theater, wie es über acht Jahre hinweg in Sitzungsprotokollen (1781 bis 1789) festgehalten ist.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit wurde bei den Treffen auch über die Bühnentechnik gesprochen. Die Ansprüche des Publikums waren gestiegen und der Bühnenbetrieb wurde auch von der Technik her immer aufwendiger und teurer. Zugleich wurden der „Blick hinter die Kulissen“ und Theatermaschinen damals immer wieder graphisch dargestellt. Solche Graphiken fanden meist Eingang in Enzyklopädien. Im theoretischen Diskurs des späten 18. Jahrhunderts diente die avancierte Bühnentechnik zugleich als praktische Einübung in die Mechanik der Aufklärung.

Anspruchsvolle Bühnentechnik

Wo das Dalberg’sche Bühnenmodell um 1800 stand, ist nicht eindeutig belegt. Nach Aschaffenburger Überlieferung stammt es aus dem Besitz der Familie Dalberg. Mannheim erwarb es im Juni 1929 von der Stadt Aschaffenburg für die Sammlungen des damaligen Mannheimer Schlossmuseums.

Vergleichbar einem Guckkasten blickt man in ein Bühnenhaus mit klassizistisch gestaltetem Proszenium (Bühnenbereich zwischen Vorhang und Orchester) und einem Bretterboden: Dies sind die berühmten „Bretter, die die Welt bedeuten (sollen)“ bzw. die Darstellungsfläche. Der Bretterboden ist leicht ansteigend. Blickpunkt wäre eigentlich ein Bühnenprospekt. Das Proszenium verdeckt die Obermaschinerie und die seitlichen, nach hinten gestaffelten Kulissenwägen.

Die Untermaschinerie ist im Modell dreigeschossig. Umrundet man das Modell, so erkennt man auf beiden Seiten je fünf Kulissenwägen, in die die meist auf Leinwand gemalten Kulissen eingehängt werden konnten. Die Rahmen reichen durch Schlitze in den Bühnenboden und können dort mittels Schienen in der Untermaschinerie hin und her bewegt werden. In der Obermaschinerie wird eine Konstruktion mit Wellbaum und Rädern, Schnurzügen und Gewichten sichtbar. Sie diente dazu, den Vorhang, die Soffitten (von der Decke abhängende kurze Kulissen), den Bühnenprospekt oder die Kulissen zu bewegen. Die Kulissenwägen sowie der Rückprospekt und die Soffitten waren nach einem ausgeklügelten System durch Seile mit einer zentralen Walze – dem sogenannten Wellbaum – verbunden. Damit konnte innerhalb weniger Sekunden die Bühne komplett verwandelt werden. Optische Effekte wie Wellenbewegungen ließen sich ebenso wie Geräusche, etwa mittels einer Windmaschine erzeugen. All dies sollte das Publikum in Erstaunen versetzen. Die Kulissengassen dienten auch zur Aufbewahrung von Requisiten und zur indirekten Beleuchtung der Bühne. An den Kulissenrahmen konnten Öllampen angebracht werden.

Im Schlosstheater in Schwetzingen war eine solche barocke Bühnentechnik im frühen 20. Jahrhundert noch in großen Teilen erhalten. Sie wurde von dem Theaterwissenschaftler Kurt Sommerfeld vor 1927 genau beschrieben. Dies belegt, dass das Dalberg’sche Bühnenmodell tatsächlich gebaute Maschinerien zeigt. Als am 13. Januar 1782 unter Dalbergs Intendanz die Uraufführung von Schillers „Räubern” im alten Nationaltheater im Quadrat B 3 erfolgte, wird sich das Bühnenbild mehrfach mit Hilfe einer solchen Mechanik verwandelt haben.

Bedeutung der Mannheimer Theatersammlung

Die Anfänge der Mannheimer Sammlungen reichen bis ins ausgehende 19. Jahrhundert zurück: Damals wurde der Historiker Friedrich Walter vom Mannheimer Stadtrat beauftragt, das Archiv des Nationaltheaters zu sortieren und zu erschließen.

Dies ist zugleich die Geburtsstunde der Mannheimer Theatersammlung, die nachfolgend eine museale Ausstellung an verschiedenen Örtlichkeiten Mannheims erfuhr, bis sie 2007 im Museum Zeughaus der Reiss-Engelhorn-Museen präsentiert wurde. Diese Präsentation ist derzeit neben Düsseldorf, Hannover, Meiningen und Reichenbach im Vogtland eine der nur fünf Theatersammlungen in Deutschland.

Weltweit ist die Mannheimer Sammlung sicherlich eine der bedeutendsten Theatersammlungen. Sie beherbergt einen höchst beachtlichen Bestand historischer Libretti, Regiebücher oder Soufflierbücher, die ausschließlich in Mannheim überliefert sind. Die Theaterzettel sind seit 1779 kontinuierlich vorhanden. Außerdem gibt es auch bemerkenswerte Entwürfe und Modelle – wie das älteste erhaltene Bühnenbildmodell von etwas 1771/1778 von Lorenzo oder Giulio Quaglio. Ein besonderer Höhepunkt und das Herzstück der Sammlungspräsentation ist natürlich das Dalberg’sche Bühnenmodell.

 

Neugierig geworden?

Bewundern Sie das Dalberg’sche Bühnenmodell und weitere Zeugnisse der reichen Mannheimer Theatergeschichte in der Ausstellung Vorhang auf!

Am 5. Juni 2025 widmet sich bei uns ein Vortrag Wolfgang Heribert von Dalberg und seinen vielen Talenten.
Mehr zur Veranstaltung

Lesetipp

Im Rampenlicht. Schätze der Mannheimer Musik- und Theatersammlungen – erschienen im Verlag Schnell und Steiner.