Fotografische Reise zu den Küchen der Welt
„Bei Oma schmeckt's am besten“ ist eine dieser Überzeugungen, über die quasi weltweit Einigkeit besteht. Weil die Gerichte unserer Großmütter den Geschmack unserer Kindheit prägten und weit mehr als bloße Anleitungen zum Kochen sind. Sie sind Zeitkapseln, die die kulinarischen Traditionen von Familien bewahren, die an besondere Ereignisse oder auch nur an das tägliche gemeinsame Essen erinnern und deren Geschmack mit dem ersten Bissen Geborgenheit vermitteln. Genau davon handelt die Ausstellung „In Her Kitchen“, mit der sich der italienische Fotograf Gabriele Galimberti auf eine fotografisch-kulinarische Reise durch die Küchen dieser Welt begibt.
Entstanden in den Jahren 2011/2012 anlässlich einer 18-monatigen Reportagereise über das Couchsurfing, fotografierte Galimberti rund um den Globus Großmütter in ihren heimischen Küchen und mit ihrem Lieblingsgericht. Denn wo immer der Fotograf als Couchsurfer nächtigte, bat er seine Gastgeberinnen und Gastgeber darum, die eigene oder bekannte Großmütter treffen, mit ihnen kochen und essen zu dürfen. Als neugieriger und hungriger „Enkel für einen Tag“ erfuhr er bei seinen Besuchen viel über die Lebensgeschichten der Frauen, ihr Selbstverständnis als Großmütter und ihre Leidenschaft für das Kochen.
Idee zum Projekt
Insgesamt 58 Großmütter porträtierte Galimberti während seiner Reise – keinen einzigen Großvater. Dieses einseitige Geschlechterverhältnis soll keineswegs verleugnen, dass es auf der ganzen Welt großartig kochende Großväter gibt. Es ist vielmehr das Resultat einer rein privaten Begebenheit zwischen ihm und seiner „Nonna Marisa“ und damit im besten Sinne subjektiv.
Als der Fotograf seine Großmutter vor der Abreise in seine Pläne einweihte, überraschte ihn ihre Reaktion. Ihre Ängste galten weniger den möglichen Risiken und Gefahren, die das Reisen als Couchsurfer mit sich bringen könnte. Vielmehr trieb sie die Sorge um, was ihr Enkel unterwegs essen und wer für ihn kochen wird – so wie sie es für ihn seit jeher getan hat. Überrascht und tief bewegt von ihren Sorgen, verspricht Gabriele Galimberti ihr zu beweisen, dass die Welt voller Großmütter ist, die gut zu kochen wissen und dies mit Fürsorge und Liebe für ihre Familien tun. Auf diese Weise ist diese einzigartige Foto-Dokumentation entstanden.
Bildpaare
Stilistisch folgen die Fotografien zu „In Her Kitchen“ Gabriele Galimbertis eigenwilligem Bildkonzept aus Porträts und akkurat arrangierten Objekten. Dabei steht der Mensch stets im Mittelpunkt, sodass seine Aufnahmen trotz aller formalistischen Strenge auf einfühlsame Weise das diverse Spektrum menschlichen Alltags aufzeigen.
Wie bei einem Diptychon ergänzen sich jeweils zwei Aufnahmen zu einem Bildpaar: Während die linke Aufnahme stets die Großmutter in ihrer heimischen Küche oder ihrem Esszimmer und mit den vor ihr geometrisch angeordneten Zutaten zeigt, setzt die rechte Aufnahme das fertig zubereitete Gericht als Close-Up in Szene. Dabei entspricht die Anrichteweise der Gerichte in keiner Weise dem, was man heutzutage aus der kommerziellen Food-Fotografie, den großformatigen Hochglanzkochbüchern und den Posts ungezählter Food-Blogger, die unter dem Neologismus „Foodporn“ ihre opulenten Tellerarrangements in den sozialen Netzwerken posten, gewohnt ist. Hier wurde nicht mit der Pinzette drapiert, der Pipette portioniert und der Teller darf in Großmutters Küche auch mal einen kleinen Sprung haben.
Globaler Wandel
Abseits aller kulinarischen Aspekte erzählt „In Her Kitchen“ auf einer soziokulturellen Ebene auch vom globalen Wandel, denn es macht einen essentiellen Unterschied, wenn auf der einen Seite der Erdkugel die 65-jährige Normita Sambu Arap in einem Maasai Dorf im Südwesten Kenias über offenem Feuer auf einem rudimentären Grillrost Ziegenfleisch mit Maispolenta zubereitet und auf der anderen in Utah die 50-Jährige Melanie Hill aus überwiegend hochverarbeiteten Fertigprodukten ein Toffee-Triffle mit der multifunktionalen Küchenmaschine verrührt. Das Urbild der kochenden Großmutter ist universell. Die Realität hinsichtlich gesellschaftlicher Entwicklungen und der Gleichstellung im globalen Ernährungssystem ist es dagegen nicht.
Neugierig geworden?
Die Sonderausstellung „Gabriele Galimberti: In Her Kitchen“ ist noch bis 6. Juli 2025 in unserer Galerie ZEPHYR zu sehen.
Mehr zur Ausstellung
Video und Audio-Podcast gewähren einen Einblick in die Ausstellung „In Her Kitchen“ – zu Wort kommen der Fotograf Gabriele Galimberti sowie die ZEPHYR-Leiterin und Kuratorin Stephanie Herrmann.
Zu den digitalen Angeboten
Zur Ausstellung ist im Nünnerich-Asmus Verlag ein reich bebilderter Katalog erschienen. Dieser vereint nicht nur alle 58 Großmütter-Porträts sondern auch alle Rezepte. Der Katalog ist natürlich auch bei uns an der Museumskasse in C4,12 erhältlich.
Appetit bekommen? Statten Sie auch unserer großen Sonderausstellung Essen und Trinken einen Besuch ab. Diese lädt in gleich zwei Gebäuden zu einer Erlebnisreise durch Körper und Zeit ein.