Frauen auf großer Fahrt

Im 19. Jahrhundert machten sich die ersten Touristen auf den Weg nach Ägypten, Italien oder Japan. Unter ihnen befanden sich auch zahlreiche Frauen. Dabei begleiteten sie nicht nur ihre Ehemänner – teils erhofften sie sich auch von Leiden zu kurieren oder folgten einer missionarischen Berufung. Einige waren nicht aus freien Stücken unterwegs, doch vielfach brachen sie einfach auf, um die Welt zu erkunden. Die hierfür notwendigen Vorbereitungen waren oftmals ungleich langwieriger als heute.

Was nehme ich mit?

Diese Frage trieb auch bereits Frauen in der Frühzeit des Reisens um. Dabei kamen sie zu ganz unterschiedlichen Lösungen: Die britische Krankenschwester Kate Marsden trat 1893/94 auf der Suche nach einem Heilmittel für Lepra eine „Reise zu den Aussätzigen nach Sibirien“ an. Um sich gegen die Kälte zu wappnen, trug sie über einem wattierten Ulster (einem zweireihig geknöpften Mantel) eine lange Schaffelljacke und darüber einen bis zum Boden reichenden Rentierpelz. Außerdem hatte sie gut vierzig Pfund Plumpudding im Gepäck, den sie gerne aß und wegen seines Nährwerts schätzte.

Auch die britische Schriftstellerin Isabel Burton ließ sich bei der Zusammenstellung ihrer Equipage eher von praktischen Erwägungen leiten. Als sie 1867 gemeinsam mit ihrem Mann Richard zu einer zweimonatigen Expedition ins Landesinnere Brasiliens aufbrach, packte sie angesichts der zu erwartenden schlechten Straßenverhältnisse nur das Notwendigste in ein schlichtes Bündel und einen kleinen Lederkoffer: Bürste, Kamm und sehr wenig frische Wäsche. Von „Damen, die mit Körben so groß wie kleine Häuser reisen“ fühlte sie sich bemitleidet.

Dagegen legte die russische Journalistin und Globetrotterin Lydia Paschkoff bei ihrer Reise 1872 nach Palmyra mehr Wert auf Annehmlichkeiten: Ihr mitgeführtes Gepäck wurde samt Personal auf 33 Maultiere, 35 Kamele, 20 Esel und 12 Pferde verladen. So ließen sich Würdenträger vor Ort mit guter Suppe, Hummer, Spargel und passender Weinbegleitung verköstigen.

Auch das Ehepaar Alphonse und Catherine de Bourboulon schickten für ihre Reise von Paris nach Peking in den 1860er Jahren zwei Karawanen mit so lebensnotwendigen Dingen wie Champagner voraus. Es wird berichtet, dass ihre Reisegruppe vermutlich die erste war, die in der Wüste Gobi Whist spielte. Außerdem führten sie zwei Sänften mit sich, wovon eine für Mme de Bourboulon bestimmt war, wenn sie vom Reiten ermüdet war, die andere für ihre Welpen. Trotzdem schrieb sie: „Nur unter Aufbietung aller Kräfte kann ich die Strapazen dieser Tage ertragen.“

Was ziehe ich an?

Auch die Auswahl geeigneter Kleidung war eine wichtige Etappe der Reisevorbereitungen. Auf die aufwändige Garderobe zu verzichten, wie sie Ende des 19. Jahrhunderts üblich war, fiel einigen Frauen nicht leicht – nicht zuletzt aus Sorge, sich lächerlich zu machen. So trug die britische Ethnologin Mary Kingsley Ende des 19. Jahrhunderts auf ihren Reisen durch Afrika stets viktorianisches Korsett und lange, dicke Röcke, in denen sie auch Flüsse durchquerte.

Die britische Krankenschwester, Illustratorin und Schriftstellerin Emily Beaufort empfahl für den während einer Ägyptenreise obligatorischen Aufstieg zu den Pyramiden: „Eine Frau, die diese Prozedur in Würde überstehen möchte, hat keine andere Wahl, als sich in die Hände der ihr persönlich zugeteilten drei Araber zu begeben […]. Sie wissen besser als wir, wie man die Röcke rafft, damit sie uns beim Klettern nicht behindern, und sie verstehen sich darauf, uns mit ziemender Anmut und Schicklichkeit über die höchsten Stufen zu heben. Ich rate meinen Landsmänninnen dringend, dabei mitzumachen – und die Krinoline in Kairo zu lassen.“

Dora d´Istria, eine rumänisch-albanische Schriftstellerin, ging Ende der 1850er Jahre bei ihrer Besteigung des 4107 m hohen Mönchs in den Schweizer Alpen lieber auf Nummer sicher und nahm neben der ihr ungewohnten Männerkleidung, die sie sich zu tragen entschlossen hatte, auch noch einen seidenen Rock und Stiefelchen mit „…um mich ihrer zu bedienen für den Fall, dass ich von diesen verdammten Kleidern, die ich so unbequem fand, in meinen Bewegungen allzusehr gehindert würde.“

Staubmäntel

Wer für solches Cross-Dressing nicht zu haben war, konnte die Kleidung auf der Reise auch mit einer geeigneten Übergarderobe schützen, wie das oben abgebildete Beispiel eines langen Staubmantels aus dem Bestand der Reiss-Engelhorn-Museen zeigt. Er stammt aus der Zeit um 1890 und wurde 2001 mit Mitteln des Fördererkreises für das Museum aus dem Kunsthandel erworben.

Solche „Duster“ wurden üblicherweise halb- oder bodenlang aus ungebleichtem Leinen gefertigt. Obwohl der Schnitt des Mantels eher schlicht erscheint, sind Kragen und vordere Kante abgepaspelt, die vier Knöpfe auf der Vorderseite schimmern edel. Gleichzeitig erlaubt der kurze Verschluss Bewegungsfreiheit. Der mit Posamenteriearbeiten verzierte Zipfel im Rücken erinnert an eine Kapuze, ist aber nur ein dekoratives Element und nicht zu verwenden.

Entwickelt hat sich der Duster wohl aus dem „Carrick“, einem langen Mantel mit oft mehreren, übereinander liegenden Schulterkragen. Der Name leitet sich ab von der englischen Bezeichnung einer Kutsche und übertrug sich auf die übliche Arbeitskleidung der sie steuernden Kutscher. Während allerdings die schweren Carricks Schutz vor Wind und Regen bieten, hält der dünne Duster nur Staub und Schmutz ab.

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