Karfunkelsteine – fränkischer Schmuck mit indischen Halbedelsteinen

Archäologische Grabungen zeigen, dass sich Schmuck mit Almandinen im frühen Mittelalter in der Rhein-Neckar-Region großer Beliebtheit erfreute. Die roten Halbedelsteine kamen den weiten Weg aus Indien. Ein gutes Beispiel dafür, wie weit die Handelsbeziehungen schon damals reichten.

5. Jahrhundert: Rote Halbedelsteine im Diplomatengepäck

Als der fränkische König Childerich im Jahr 482 in Tournai/Belgien starb, richtete ihm sein Sohn Chlodwig ein prächtiges Begräbnis aus. Er legte seinem Vater auch die Geschenke des oströmischen Kaisers mit ins Grab. Die goldenen Beschläge von Gürteln und Waffenzubehör mit Almandinen – roten Halbedelsteinen aus der Granatgruppe – fielen besonders ins Auge. Der Schatz des Childerich ist nur ein Beispiel für „Karfunkelsteine“, die im 5. Jahrhundert n. Chr. in die Randgebiete des Römischen Reiches gelangten. Im Vorderen Orient blickte die dekorative Kunst mit eingelegten Steinen bereits auf eine lange Tradition zurück.

6. Jahrhundert: Almandinschmuck aus Gräbern an Rhein und Neckar

Im merowingischen Frankenreich fand der Almandinschmuck dann im 6. Jahrhundert weite Verbreitung. Wohlhabende Frauen schmückten sich – auch an Rhein und Neckar – mit zwei Fibelpaaren, Broschen aus vergoldetem Silber, die mittels einer rückseitigen Nadelkonstruktion am Gewand befestigt wurden. Unterhalb des Gürtels steckte das große, mit einem Gehänge verbundene Bügelfibelpaar. Es zeigt meist kerbschnittartigen mitgegossenen Dekor und nur vereinzelt rote Steineinlagen. Zwei kleinere Broschen trugen die Frauen am Halsausschnitt und auf der Brust. Die Formen sind vielfältig. Ob rund, S-förmig oder in Gestalt eines Vogels, das kleine Fibelpaar ist oft mit roten Halbedelsteinen verziert.

Zellwerk mit Almandinplättchen

Im Frankenreich sind die roten Steine selten in Einzelfassungen anzutreffen, häufiger wurden dünne Almandinplättchen in geschlossenem, mit Kitt gefülltem Zellwerk verlegt, und zwar auf Silber- oder Goldfolie, deren eingepresstes Muster die Reflexion des Lichts verstärkt. Durch mineralogische Untersuchungen der Zellfüllungen wies eine schwedische Archäologin bereits 1985 nach, dass Almandine nicht nur in mediterranen, sondern auch in nordalpinen Werkstätten verarbeitet wurden. Die geometrischen Formen der Zellen wiederholen sich. Der Goldschmied passte das Zellwerk den Steinen an. Steinschleifereien dürfte es nördlich der Alpen kaum gegeben haben, eher ist im östlichen Mittelmeerraum, z. B. in Konstantinopel/Byzanz oder Alexandria, mit spezialisierten Werkstätten zu rechnen, die aus dem Rohmaterial Schmucksteine produzierten.

In jedem Fall wurden die im Frankenreich in großen Mengen verarbeiteten Edelsteine importiert. Ihre weite Verbreitung zeigt zudem, dass Almandine erschwinglich waren und der Wert eines Schmuckstückes eher vom Trägermaterial bestimmt wurde: Königinnen trugen Goldschmuck.

Die Herkunft des im Frühen Mittelalter verwendeten roten Granats

In Portugal und Böhmen wird Granat im Bergbau gewonnen, in Indien und Sri Lanka stammt er aus mehr oder weniger tiefen fluvialen Ablagerungen. Die Steine aus den verschiedenen Lagerstätten unterscheiden sich in ihrer chemischen Zusammensetzung und auch in der Form ihrer Kristalle. Um den Ursprung des verwendeten Granats zu bestimmen, wurden daher seit 2002 in dem großen Labor der Musée de France nach einer schnellen und zerstörungsfreien Methode – nämlich durch eine partikelreduzierte Röntgenemission mit einem Teilchenbeschleuniger – 5000 Granate von 200 Objekten untersucht. Analysiert wurden auch die im Kristall enthaltenen Einschlüsse.

Sechs Gruppen von Granat – darunter Almandine aus dem indischen Rajastan, Pyraldine aus Sri Lanka und die meist nur sehr kleinen Pyrope aus Portugal und Böhmen – ließen sich unterscheiden. Die im 5. und 6. Jahrhundert verwendeten großen spaltbaren Almandine stammen aus Indien, erst im 7. Jahrhundert wurden Pyrope aus Portugal und Böhmen verwendet. Da der Transport von rohem indischen Granat mit Karawanen auf dem Landweg wenig profitabel wäre, kann er nur auf dem Seeweg durch das Bengalische und das Rote Meer bis Ägypten, dann über den Nil  und das Mittelmeer nach Europa gelangt sein – zusammen mit Gewürzen, Duftstoffen und kostbaren Textilien. 

Im späten 6. Jahrhundert brach die Produktion des beliebten Zellwerks mit eingelegten roten Steinen schlagartig ab. Irgendwo im Orient war die Lieferkette, die das Frankenreich mit den in dünne Plättchen gespaltenen Steinen versorgte, unterbrochen worden. Im 7. Jahrhundert wurden nur einzelne, kleine und oft auch leicht gewölbte Almandine gefasst.

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Lesetipps

  • Alfried Wieczorek / Patrick Périn (Hrsg.): Das Gold der Barbarenfürsten. Schätze aus Prunkgräbern des 5. Jahrhunderts n. Chr. zwischen Kaukasus und Gallien. Publikation des Reiss-Museums 3 (Stuttgart 2001)
  • Birgit Arrhenius: Merowingian Garnet Jewellery (Stockholm 1985)
  • Patrick Périn / Thomas Calligaro: La provenance des grenats ornant les bijoux mérovingiens. L’Archéologique 162, 2022, 50-54.