
Mannheimer Bauschutt – nur Dreck oder Fundgrube?
Bei Grabungen in Mannheim trifft unser Archäologen-Team immer wieder auf Bauschutt und fördert darin interessante Objekte zutage. So konnten bei Arbeiten im Luisenpark und im alten Eisstadion im Friedrichspark Funde geborgen werden, die mehr über die jüngste Stadtgeschichte verraten.

Die Stadt Mannheim wurde im Laufe ihrer Geschichte immer wieder bis auf die Grundmauern zerstört. So musste die Stadt u.a. nach dem Dreißigjährigem Krieg (1614–1648) und dem Pfälzischen Erbfolgekrieg (1688–1697) wiederaufgebaut werden. Die letzte große Zerstörung fand im Zweiten Weltkrieg statt. Viele der architektonischen Schmuckstücke, die danach noch teilweise standen, wurden in der Nachkriegszeit abgetragen. Hier sei nur auf das barocke Kaufhaus in N 1 oder das vierstöckige Stadtpalais der Familie Friedrich Engelhorn (erbaut 1873–1875) in A 1 erinnert. Der Abbruch der vielen Gebäude brachte vor allem eins: Bauschutt.
Der Bauschutt durch Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg musste für den Wiederaufbau Mannheims weichen und wurde in der Stadt verteilt. Nicht alle Stellen, an dem er gelagert wurde, sind heute noch bekannt. So kommt er bei Baumaßnahmen immer wieder unerwartet zum Vorschein. Bei der Umgestaltung des Luisenparks im Jahr 2021 anlässlich der Bundesgartenschau 2023 stieß man beispielsweise auf Bauschutt aus der Nachkriegszeit, der aber viel ältere Fundstücke enthielt. Auch bei Ausgrabungen im alten Mannheimer Eisstadion im Friedrichspark (2024) fanden die Archäologen jede Menge Bauschutt.
Funde aus dem Luisenpark
Auch wenn der Bauschutt mit Zerstörungen zusammenhängt, er hat auch eine andere Seite. Der Schutt besteht nicht nur aus Stein, Mörtel usw., sondern enthält auch Gegenstände, die in der Zeit vor der Zerstörung en vogue waren. Andere Fundobjekte besaßen antiquarischen Wert oder stellten für die Besitzer einen Wert dar. Manche Objekte waren mit Erinnerungen verbunden. Diese lieb gewonnenen Gegenstände verwahrte man lange Zeit. So enthielt der Schutt aus dem Luisenpark eine reich mit Blumen verzierte Tasse mit dem Schriftzug „Zur Erinnerung“. Leider wissen wir nicht, an wen sie erinnerte. Auch ein kleines Weihwasserbecken für den privaten Gebrauch war unter den Funden. Beide Stücke waren für ihre Besitzer wertvoll, sie wurden sorgfältig gepflegt.


Mineral- und Sodawasserfabrik in der Schwetzingerstadt
Aber nicht nur die persönlichen Dinge sind reizvoll, viele Funde sind mit Firmennamen, Signets oder Marken versehen und damit identifizierbar. Für die Wirtschaftsgeschichte Mannheims besonders interessant sind Firmen, die oft vollkommen in Vergessenheit geraten sind. Sie bilden Anlass zu Recherchen und helfen bei der Datierung der Fundobjekte. Sie sind manchmal sogar Zeugen von Branchen, die heute nicht mehr existieren. So wurde im Luisenpark eine Flasche mit der Prägung „E. SCHNARCHENDORFF MANNHEIM UNVERKÄUFLICH“ gefunden.
Bei der Firma E. Schnarchendorff handelte es sich um eine Mineral- und Sodawasserfabrik in der Schwetzingerstadt. Die Fabrik füllte nicht natürliches Mineralwasser ab, sondern stellte es her. Sie existierte etwa von 1897 bis 1943. Die Flasche ist eine sogenannte Kugelverschlussflasche, die für kohlensäurehaltige Getränke verwendet wurde. Diese Art von Flaschen wurde etwa vom Ende des 19. Jahrhunderts bis mindestens in das erste Viertel des 20. Jahrhunderts verwendet.

Mannheimer Porzellanmalerei
Wer weiß noch, dass in Mannheim eine Porzellanmalerei namens Fritz Bensinger existierte? Im Luisenpark fand sich eine fast vollständig erhaltene Tasse und im Eisstadion ein Fragment eines Becher- oder Tassenbodens mit entsprechenden Bodenmarken. Die Tasse aus dem Luisenpark gibt sogar noch einen weiteren Hinweis. Die Bemalung verrät den Eigentümer: das „Restaurant Weinberg“. Es stand in D 5, 4, also in dem Quadrat, auf dem sich heute das „Museum Weltkulturen“ der Reiss-Engelhorn-Museen befindet. Das Gebäude des „Weinbergs“ wurde 1887 errichtet.

Neben diesen ausgewählten Gegenständen sind in den verschiedenen „Schutthaufen“ aus dem Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit sehr viele Objekte gefunden worden. Diese scheinen auf den ersten Blick nicht spektakulär. Erst wenn man sich näher mit ihnen beschäftigt, lüften sie ihr Geheimnis und lassen die jüngste Vergangenheit Mannheims wiederaufleben.
Alle modernen Funde, die zum Teil aus dem 19. Jahrhundert stammen, werden von den Archäologen der Reiss-Engelhorn-Museen sorgfältig dokumentiert und archiviert. Sie sind Grund für wissenschaftliche Recherchen und werden für die Anfertigung von Publikationen verwendet.
Um auf die eingangs gestellte Frage zurückzukommen: Der Mannheimer Schutt ist definitiv nicht einfach nur Monnemer Dreck, sondern stellt ein besonderes Bodenarchiv dar!
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Funde aus Mannheim und der Region können Sie in der Ausstellung Versunkene Geschichte bewundern.
Lesetipps
- Klaus Wirth: „… zu jung für die Archäologie …“. Zu einigen Funden aus dem Luisenpark in Mannheim / In: Mannheimer Geschichtsblätter 45–46, 2023, S. 211–230
- Jutta Neuhaus: Fritz Bensinger Porzellanmalerei – eine Mannheimer Firma mit Verbindungen / In: Mannheimer Geschichtsblätter 47–48, 2024, S. 211–230