Mittelalter trifft Popkultur

Star Wars, Game of Thrones oder die Simpsons – sie alle haben sich vom berühmten Teppich von Bayeux inspirieren lassen. Auch Jahrhunderte nach seiner Entstehung hat er nichts von seiner Faszination verloren. Das Original zeigt die normannische Eroberung Englands im Jahr 1066. Auf den modernen Versionen kreuzen Luke Skywalker und Darth Vader die Lichtschwerter oder spucken Daenerys Drachen Feuer.

Sticken ist heutzutage stark aus der Mode gekommen, im Mittelalter hingegen war es eine beliebte Freizeitbeschäftigung adliger Damen aller Altersklassen – für Einige ihr tägliches Brot, für Andere ein Medium, um Botschaften zu übermitteln. Stickereien boten viele Möglichkeiten der Dekoration, seien sie einfach oder komplex. Aufgrund dieser Vielschichtigkeit hängen heute zu Recht einige bedeutende mittelalterliche Wandteppiche in großen Museen, für ein ganz besonderes berühmtes Exemplar aus dem 11. Jahrhundert wurde sogar ein eigenes Museum gebaut: den Teppich von Bayeux. Der 68 Meter lange Teppich erzählt durch die detaillierte bildliche Darstellung der normannischen Eroberung Englands 1066 durch Wilhelm den Eroberer „lebendige Geschichte“ und brilliert dabei durch seine Details zur mittelalterlichen Lebenswelt und durch seine Kunstfertigkeit. Bis heute löst der Wandteppich Faszination aus und inspirierte schon so manche Nachahmer. Sogar die Popkultur setzte ihm bereits mehrere Denkmäler. 

Nachahmungen der Stickerei

Die Einzigartigkeit des Kunstwerks regte bereits Elizabeth Wardle im viktorianischen Zeitalter zu einer detailgetreuen Kopie an. Dafür besuchte sie 1885 Bayeux und studierte das Original ausgiebig. Anhand handkolorierter Fotografien arbeitete sie mit 34 anderen Stickerinnen ein gutes Jahr an der Fertigstellung von Britain's Bayeux Tapestry. Allerdings waren die Fotografien, die sie und ihre Kolleginnen erhielten, bereits nachbearbeitet und den damaligen Moralvorstellungen angepasst: Einige der vormals nackten Figuren des Originalteppichs hatten plötzlich Hosen an! Eine weitere kleine Veränderung des Originals entstand dadurch, dass sich die Stickerinnen mit Namen verewigten.

Nicht nur England, sondern auch Dänemark hat seinen eigenen Teppich von Bayeux: von 2000 bis 2014 fertigten neun Däninnen eine detailgetreue Kopie an, den Bayeux-tapetet. Sie benutzen sogar die gleichen acht Garnfarben. Einzig die historische Patina, also Verfärbungen, Verblassung der Farben und kleine Löcher und Risse, ahmten sie nicht nach, weswegen die Farben leuchtender wirken. Zu sehen ist der „Bayeux-tapetet“ seither im Kloster Børglum im Norden des Landes.

Star Wars

Anders als diese beiden Nachahmungen, die versuchten, möglichst nah an das Original heran zu kommen, griffen KünstlerInnen und FilmemacherInnen zwar die Bildsprache des Teppichs von Bayeux auf, kreierten aber ihre ganz eigenen Versionen oder kontextualisierten ihn neu. So gibt es einen zehn Meter langen Star-Wars-Teppich („Coruscant Tapestry“) inklusive Lichtschwerter, Yoda und Todesstern, den der britische Grafiker Aled Lewis 2014 für eine Kunstausstellung in Los Angeles anfertigte und der Episode I-VI nacherzählt. Der originale Teppich diente als graphische Vorlage. Der Zeitung „The Telegraph“ erzählte der Künstler, dass er das Werk in der Schule als nationales Kulturgut kennengelernt habe und die Kunstfertigkeit, Detailliertheit und Größe des Teppichs bewundere. Seine Arbeit kann also sowohl als Hommage an die mittelalterlichen Stickerinnen des Teppichs von Bayeux als auch an die Star-Wars-Filme gesehen werden.

The Simpsons

Die MacherInnen der Serie „The Simpsons“ nutzten den Stil des Teppichs von Bayeux für ein Intro einer Folge. Dabei setzten sie auf einen hellbeigen Hintergrund, schmückende Bordüren mit Tierfiguren oben und unten und ließen sich von der Kleidung und Bewaffnung, den Burgen und Schiffen des Originals beeinflussen. Das Gelb der Simpsons bietet einen spannenden Kontrast dazu. Die kurze Handlung ist schnell erzählt: Das Sofa der Simpsonsfamilie wird aus ihrer Burg gestohlen, daraufhin besteigen sie zwei normannische Schiffe und besiegen den Dieb Ned Flanders und seine Familie in einem Kampf. In der Schlussszene sitzen sie wieder zufrieden in ihrem Palast auf dem Familiensofa, zu ihren Füßen liegt die Leiche des Diebes. Das Intro ist mit heroischer mittelalterlicher Musik unterlegt. Ganz wie im Original wird eine erfolgreiche (Zurück-)Eroberung dargestellt, da es sich bei dem Gegenstand des Kampfes jedoch um ein Sofa handelt, wird dieser auf humoristische Weise in Frage gestellt.

Game of Thrones

Die Produzenten der Serie „Game of Thrones“ gingen zusammen mit der Tourismusbehörde von Nordirland noch einen Schritt weiter: Sie ließen einen 90 Meter langen Teppich zur Serie, der die einzelnen acht Staffeln nacherzählt, weben. Den Northern Ireland Game of Thrones® Tapestry schmücken wie das Original am oberen und unteren Rand mit Figuren verzierte Bordüren. Figuren wie Daenerys, Jon Snow, Arya oder die Lannisters entsprechen mehr der Serie als den Normannen des Mittelalters. Der fertige Teppich wurde erst in Belfast (2017) und dann in Bayeux (2019) gezeigt, momentan kann er online bewundert werden. Neben dem Ziel, den Tourismus nach Irland und an Drehorte der Serie zu fördern, wird durch die Referenz auf den Teppich von Bayeux einer fiktiven Serie der Anschein historischer Wahrheit gegeben und so wiederum scheint die Authentizität der Serie erhöht. Dies passt gut zu einem sich großer Beliebtheit erfreuenden romantisierten Mittelalterbild in der Populärkultur, welches sich die Serie zunutze macht und das sich häufig auf Mittelaltermärkten oder bei Ritterturnieren wiederfindet. Salopp gesagt besteht dieses zum Großteil aus Gewalt und Kriegen, Intrigen der Mächtigen, Romantik und Gesang.

Eigene Botschaft

Diese drei Beispiele sind nur einige von vielen, zeigen aber bereits, dass der Teppich von Bayeux einen großen Wiedererkennungswert hat und auch nach Jahrhunderten Menschen begeistert und inspiriert. Ob sich die mittelalterlichen Stickerinnen vorstellen konnten, dass ihr Teppich einmal so einen großen Erfolg haben wird? Bei den erwähnten Nachbildungen in Reading und in Dänemark spielte historische Genauigkeit eine wesentliche Rolle, bei den anderen Interpretationen ging es weniger um die historischen Ereignisse an sich, als um das Grundmuster, einen heroischen Kampf zu erzählen und sich die Bildsprache zu eigen zu machen. Die Intention hinter den geschilderten Teppichen (und dem Simpsons-Intro) ist immer eine andere und sollte uns daran erinnern, dass auch die normannischen Auftraggeber des Teppichs von Bayeux ganz bestimmte Absichten verfolgten und die Beteiligten in ein bestimmtes Licht rücken wollten. Seine ganz eigene Botschaft kann man sogar mithilfe eines Meme-Generators, der Figuren aus dem Teppich von Bayeux aufgreift, kreieren.  

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Sie wollen mehr über das Original erfahren? Lesen Sie den Blog-Beitrag zum Teppich von Bayeux