Der Rhein und die Anfänge der Fotografie

Der Rhein ist ein beliebtes Ziel für Reisende aus aller Welt. Auch ein Erinnerungsbild von den wild-romantischen Landschaften und geschäftigen Häfen darf natürlich nicht fehlen. Kaum ein anderer Fluss wurde seit den Anfängen der Fotografie vor rund 180 Jahren so oft abgelichtet wie der Rhein. Gehen Sie mit uns auf Zeitreise!

How picturesque! – mit diesem Hochruf quittierte so mancher der zahlreichen englischen Touristinnen und Touristen Anfang des 19. Jahrhunderts den Anblick der wild-romantischen Landschaften entlang des Rheins. Nachdem sie bereits die Schneegipfel der Schweizer Alpen als Erste bestiegen hatten, waren es wieder die Engländer, die lange vor den Deutschen den Rhein in seiner Schönheit erkannten, würdigten und ihn seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert zum Reiseziel erklärten.

Ein Fluss wird „entdeckt“ – Pioniere der frühen Rheinfotografie

Es war eine logische Konsequenz, dass im Zuge der Entdeckung des Rheinlandes als touristischem Reiseziel auch die frühesten fotografischen Aufnahmen des Rheins auf das Konto eines Engländers gehen. Im Oktober 1846 legte der englische Fotopionier William Henry Fox Talbot (1800–1877) bei seiner Rheinreise durch Deutschland und die Schweiz einen Zwischenstopp in Koblenz ein und nutzte die Gelegenheit für zwei „Schnappschüsse“: Eine Ansicht von der damaligen Schiffsbrücke zwischen Koblenz und Ehrenbreitstein sowie eine zweite Aufnahme auf die auf einer Anhöhe über der Stadt gelegene Festung Ehrenbreitstein.

Die beiden von Talbot gefertigten Aufnahmen sind die ersten bekannten Fotografien des Rheins überhaupt und hätte es an jenem Tag geregnet, wären sie wohl nicht zustande gekommen. So aber begann mit ihnen die unvergleichlich reiche Fotogeschichte über den großen Fluss, deren Ende noch lange nicht geschrieben ist.

Der Rhein als Verkaufsschlager

Nicht nur privatreisende Amateurfotografen wie Talbot schenkten dem Rhein und seinen pittoresken Uferlandschaften vermehrte Aufmerksamkeit. Auch die Vertreter der sich neu etablierenden Berufssparte kommerzieller Landschafts- und Architekturfotografen gingen mit ihren Kameras entlang des Stromes auf Motivsuche. Der Vertrieb von Fotografien entwickelte sich schnell zu einer kommerziellen Erfolgsgeschichte. Die Quantität an Bildern nahm sprunghaft zu, gewerbliche Fotografen porträtierten nahezu jede Biegung, jedes Ufer und jede Sehenswürdigkeit.

Auch deutsche Fotografen, besonders jene, die in den Rheinregionen ansässig waren, partizipierten zunehmend am lukrativen Geschäft der Rheinfotografie. In Mannheim betrieb, neben einigen anderen, der Fotograf Anton Weinig von 1886 bis 1894 sein Foto-Atelier. Über sein Schaffen ist heute nur noch wenig bekannt. Von herausragender Qualität ist sein Konvolut von 107 Glasplattennegativen mit Ansichten der Stadt Mannheim aus der Zeit zwischen 1876 bis in die 1910er-Jahre, das heute zu den Sammlungsbeständen der Reiss-Engelhorn- Museen zählt. Neben öffentlichen Gebäuden, Alt-Mannheimer Bürgerhäusern und innerstädtischen Straßen und Plätzen, zeigen viele seiner Aufnahmen Ansichten vom Rhein und den großen Mannheimer Industriehäfen. Allen voran der Mühlauhafen galt um die Jahrhundertwende als eine touristische Sehenswürdigkeit und war gerade sonntags, wenn die Arbeiten ruhten, ein beliebtes Ausflugsziel für die Bürgerinnen und Bürger der Stadt.

Album und Leporello – fotografische Reisesouvenirs

Neben Einzelaufnahmen dokumentieren bis heute vor allem Fotoalben als besonders beliebte Verkaufsform den Wunsch von Reisenden, ihre Reiseeindrücke dauerhaft festzuhalten.

Ein typisches Beispiel ist das mit „Rhein“ kurz und prägnant betitelte Leporello des Kölner Fotografen Johann Heinrich Schönscheidt (1835–1909), das sich ebenfalls in den fotografischen Sammlungen der Reiss-Engelhorn-Museen befindet. Das in rotem Leinen gebundene Leporello enthält insgesamt zwölf querformatige Abzüge und richtete sich an eine Kundschaft mit eher kleinem Geldbeutel. Neben markanten Wegmarken wie der Lorelei und dem Mäuseturm sind es vor allem die Burgen und Schlösser entlang der Route, die Eingang in dieses fotografische Souvenir gefunden haben.

Der Rhein – jetzt auch in Farbe!

Zur perfekten naturgetreuen Wiedergabe der Rheinlandschaften fehlte den frühen Fotografien allein noch die Farbigkeit. Die „farblose“ Ära endete schlagartig mit der Erfindung des Photochromdrucks durch die Zürcher Firma „Orell Füssli & Co.“. Genauere Angaben zum Verfahren behielt das Unternehmen unter Verschluss, warb aber damit, mit ihrer Erfindung die erste marktreife Reproduktionstechnik zur Anfertigung von „Natur-Farben-Photographien“ entwickelt zu haben.

Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten. Das Sortiment der 1895 von den Inhabern von Orell Füssli gegründeten Tochtergesellschaft „Photoglob & Co.“ bebilderte beinahe sämtliche Länder der Erde erstmals in farbigen Photochrom-Fotografien. Von den zu dieser Zeit rund 3.000 europäischen Landschafts- und Städteansichten zeigten an die 200 Photochroms den Rhein und sein Umland, was die Beliebtheit dieser Sujets erahnen lässt.

Bilderfluten und kein Ende

Anlässlich einer Kölner Ausstellungseröffnung stellte der versierte Kunstkritiker und Fotokurator Klaus Honnef 1995 fest, der Rhein sei in der Vergangenheit geradezu „zu Tode fotografiert worden.“ In der Tat: Es gibt wohl kaum eine andere Landschaft geschweige denn einen anderen Fluss, dem seit den Anfängen der Fotografie vor rund 180 Jahren bis in die Gegenwart so viele Fotografien gewidmet wurden wie dem Rhein.

Spätestens seit rasch aufeinanderfolgende Entwicklungen in der Foto- und Kameratechnik das
Fotografieren demokratisierten und nahezu jedem das Fotografieren ermöglichten, gab es kein Halten mehr. Eine Bilderflut – oder, um im Bild zu bleiben – ein Bilderstrom ist das Ergebnis dieser Entwicklung, wenngleich nicht ihr Schlusspunkt. Wie viele Aufnahmen heute tagtäglich rheinauf, rheinab von Smartphones festgehalten und medial verbreitet werden, ist nicht mehr quantifizierbar. Sich angesichts der Vermassung des Motivs über die ästhetische Qualität dieser Bilder Sorgen zu machen oder gar in eine Art elegischen Kulturpessimismus zu verfallen, ist aber unnötig. Vielmehr ist die Fotografie mehr denn je zu einem integrativen Teil unseres Lebens geworden oder, wie es bereits Susan Sontag 1977 in ihrem wegweisenden Buch On Photography formulierte: „Today everything exists to end in a photograph.“

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Vom Rhein ließ sich auch der vielfach preisgekrönte Fotograf Robert Häusser inspirieren. Er ging in den 1960er Jahren an seinen Ufern auf Motivsuche. Seine eindrucksvollen Aufnahmen sind noch bis 30. Juli 2023 in der Sonderausstellung Die Welt am Oberrhein und im gleichnamigen Katalog zu bewundern.