Projektmanagement für Kulturinstitutionen

In der Museumsarbeit treffen oft kreative Prozesse auf administrative Notwendigkeiten. Hier kommt das Projektmanagement ins Spiel, um eine Brücke zwischen diesen beiden Welten zu schlagen. Als große Kultureinrichtung stehen die Reiss-Engelhorn-Museen vor der Aufgabe, komplexe Projekte effektiv zu managen. Von der Entwicklung fesselnder Ausstellungen bis hin zur Digitalisierung wertvoller Sammlungen – diese Aufgaben erfordern ein hohes Maß an Koordination und Effizienz. Wir gewähren einen Blick hinter die Kulissen.

Um den Anforderungen gerecht zu werden, setzen die rem zunehmend auf bewährte Methoden des Projektmanagements. Agile Ansätze wie Kanban bieten die notwendige Flexibilität für kreative Prozesse und sorgen gleichzeitig für die Struktur, die für eine erfolgreiche Projektabwicklung unerlässlich ist. In diesem Beitrag geben wir Einblicke in unseren Projektmanagement-Workflow am Beispiel der Überarbeitung der Ausstellungsttexte unserer MusikWelten-Schau. Hier setzen wir uns kritisch mit den Spuren des Kolonialismus auseinander.

Was ist Projektmanagement?

Projektmanagement ist mehr als nur das Abarbeiten von Aufgaben. Es umfasst den Einsatz von Wissen, Fähigkeiten und Techniken, um spezifische Ziele innerhalb eines festgelegten Zeitrahmens, Budgets und Umfangs zu erreichen. Für Museen, die häufig an aufwendigen und oft interdisziplinären Projekten arbeiten, bietet Projektmanagement eine klare Struktur, die hilft, Unwägbarkeiten zu minimieren und Projekte termingerecht sowie im geplanten Umfang abzuschließen.

Es gibt verschiedene Ansätze im Projektmanagement, die je nach Projektart und -anforderung gewählt werden können. Zwei häufig genutzte Methoden sind:

  • Wasserfallmodell: Ein traditioneller Ansatz, bei dem Projekte in festgelegten, aufeinanderfolgenden Phasen ablaufen. Jede Phase muss abgeschlossen sein, bevor die nächste beginnt. Dies ist besonders für Projekte geeignet, bei denen Anforderungen von Anfang an klar definiert sind und wenig Flexibilität gefordert wird.
  • Agiles Projektmanagement: Dieser Ansatz legt den Fokus auf Flexibilität und kontinuierliche Zusammenarbeit. Es ermöglicht regelmäßiges Feedback und Anpassungen, was besonders nützlich ist, wenn sich Anforderungen während der Projektdauer ändern.

Der Projektmanagementprozess lässt sich in fünf Phasen unterteilen:

  1. Initialisierung: Das Projekt wird definiert und genehmigt
  2. Planung: Ziele, Aufgaben, Zeitpläne und Ressourcen werden festgelegt
  3. Durchführung: Die geplanten Aufgaben werden umgesetzt
  4. Überwachung: Der Fortschritt wird kontrolliert und bei Bedarf angepasst
  5. Abschluss: Das Projekt wird formell beendet und ausgewertet

Durch diese klare Struktur können Museumsmitarbeitende sicherstellen, dass Ressourcen und Zeit effektiv verwaltet werden und die Nachhaltigkeit des Projekts gewährleistet ist.

An den Reiss-Engelhorn-Museen orientieren wir uns primär an der agilen Methode Kanban. Diese Methode ist flexibel, visuell und besonders gut geeignet für Projekte, die eine kontinuierliche Anpassung und Aufsicht erfordern.

Was ist Kanban?

Die Hauptidee von Kanban ist die Visualisierung von Aufgaben in Form von Karten auf einem digitalen oder physischen Board. Diese Karten repräsentieren einzelne Aufgaben und werden in verschiedenen Spalten angeordnet, die den Arbeitsprozess darstellen – z. B. „Zu erledigen“, „In Bearbeitung“ und „Erledigt“. Das Ziel ist es, die Karten von links nach rechts über das Board zu bewegen, wobei jede Bewegung den Fortschritt einer Aufgabe darstellt.

Was Kanban so nützlich macht, ist seine Flexibilität: Prioritäten und Anforderungen können sich jederzeit ändern, ohne dass der gesamte Prozess neu strukturiert werden muss. Zudem haben alle Teammitglieder stets einen klaren Überblick über den aktuellen Status der Aufgaben und wer an welchem Teil des Projekts arbeitet.

Kanban in der Museumspraxis

Besonders in der Museumsarbeit, wo Teams oft heterogen zusammengesetzt sind, und personelle Wechsel vorkommen, erweist sich Kanban als nützlich. Die Methode ist leicht verständlich und erfordert keine lange Einarbeitung. Gerade in Umgebungen mit begrenzten Ressourcen und wechselnden Projektbeteiligten bietet Kanban eine einfache Möglichkeit, den Überblick zu behalten und die Zusammenarbeit zu fördern. Dabei ist Kanban skalierbar und kann sowohl für kleine Aufgaben als auch für komplexe Projekte mit vielen Beteiligten angepasst werden.

Beispiel aus dem Alltag: MusikWelten – Spuren des Kolonialismus und kritische Auseinandersetzung

Ein aktuelles Projekt, bei dem wir Kanban erfolgreich einsetzen, ist die Überarbeitung der Texte für die Schau „MusikWelten“. In dieser Ausstellung zeigen die rem Artefakte aus ganz unterschiedlichen Teilen der Welt und aus unterschiedlichen Epochen.

Viele der gezeigten Gegenstände wurden in der Kolonialzeit, teilweise in Unrechtskontexten (möglicherweise unter Anwendung von Gewalt), angeeignet – so etwa Teile der überwiegend aus Kamerun stammenden Sammlung Thorbecke. Andere der ausgestellten Werke sind erst nach dem formalen Ende der Kolonialzeit entstanden. Deshalb überprüfen wir schrittweise die Provenienzen – also Herkunftsgeschichten – aller Objekte in der Ausstellung.

Der Kolonialismus war ein Unrechtssystem, dessen Nachwirkungen bis heute anhalten. Die rem erkennen diesen Umstand sowie die daraus resultierende gesellschaftliche Verantwortung als öffentliche Sammlung der Stadt Mannheim an. Sie verpflichten sich zur Auseinandersetzung mit kolonialen Machtasymmetrien, die den außereuropäischen Sammlungen eingeschrieben sind, wozu auch die Provenienzforschung gehört.

Zum Zeitpunkt der Entstehung der Ausstellung wurden koloniale Kontexte in der Öffentlichkeit nicht so kontrovers diskutiert wie heute. Nicht nur der Diskurs ist heute ein anderer, auch in puncto Forschung und Zugänglichmachung von Forschungsergebnissen hat sich in den letzten zehn Jahren seit der Ersteröffnung der „MusikWelten“ viel getan.

Transparente Angaben zur Herkunft und Aneignung der Artefakte wurden bei der ursprünglichen Konzeption nicht einbezogen und fehlen daher. Aufgrund von Baumaßnahmen war die Ausstellung längere Zeit geschlossen. Eine inhaltliche Überarbeitung der Ausstellungstexte – insbesondere in Hinblick auf eine umfassende Auseinandersetzung mit kolonialen Kontexten und die Verwendung eines diskriminierungssensiblen Vokabulars – hat bisher nicht stattgefunden. Anlässlich der Wiedereröffnung soll nun eine kritische Betrachtung und Aktualisierung im Sinne eines dekolonialen Ansatzes stattfinden.

Die Ergebnisse dieser Auseinandersetzung wollen wir nun über QR-Codes, welche nach und nach neben den Objekten platziert werden, zugänglich machen, um dadurch zu einem besseren Verständnis der Herkunft dieser Objekte beizutragen. Die Texte können dadurch innerhalb und außerhalb der Ausstellung abgerufen werden und ständig erweitert und an den aktuellen Stand der Forschung angepasst werden.

Kanban als digitales Redaktionssystem

Durch den Einsatz von Kanban haben wir stets den Überblick, in welchem Stadium sich die Texte befinden, wer an welchem Abschnitt arbeitet und welche Aufgaben noch erledigt werden müssen.

Wie auf der Abbildung zu sehen, sind auf dem Kanban-Board das Projekt „MusikWelten“ verschiedene Karten angelegt. Jede Karte steht für eine bestimmte Aufgabe, z.B. „Texte überarbeiten“ oder „QR-Codes erstellen“, und ist unter einer bestimmten Liste, wie „To-do“ oder „In Bearbeitung“ eingeordnet. Das Board dient auch als Redaktionssystem, in dem alle Mitarbeitenden die Karten anklicken und deren Details bearbeiten können. Auf den Karten können Schlagwörter wie „Hohe Priorität“, verantwortliche Mitarbeitende und Fristen festgelegt werden. Außerdem ist es möglich, zusätzliche Informationen wie Anhänge, Notizen zu den Aufgaben hinzuzufügen.

Für die praktische Umsetzung nutzen wir das Open-Source-Tool Deck, ein Kanban-Tool, das als Plug-in in unserer Kollaborationsplattform integriert ist. Dies ermöglicht uns nicht nur Flexibilität, sondern auch volle Datenhoheit, da die Lösung auf unseren eigenen Servern gehostet wird.

Obwohl wir uns auf ausgewählte Methoden des Projektmanagements wie Kanban fokussieren, passen wir diese je nach Projektgröße und Team-Zusammensetzung an. Museen haben eine eigene Arbeitskultur, die sich bisweilen stark von der in der freien Wirtschaft unterscheidet. Das bedeutet, dass wir keine starren Prozesse anwenden, sondern die Methoden flexibel und projektabhängig gestalten.

Fazit

Projektmanagement bietet den Reiss-Engelhorn-Museen eine wertvolle Struktur, um die vielfältigen und komplexen Projekte effizienter zu gestalten. Durch den gezielten Einsatz von Methoden wie Kanban und die kontinuierliche Anpassung an die Anforderungen unserer musealen Arbeit gelingt es uns, sowohl die Arbeitsabläufe zu optimieren als auch Projekte termingerecht abzuschließen. Der Einsatz von Tools wie Deck unterstützt uns dabei, diese Prozesse zu digitalisieren und transparent zu gestalten – ein wichtiger Schritt in Richtung einer zukunftsfähigen Museumsarbeit.

Neugierig geworden?

Ab sofort können Sie die Ausstellung „MusikWelten“ wieder in unseren rem-Stiftungsmuseen in C4,12 sehen. Mehr erfahren Sie hier.

Besuchen Sie unsere Seiten zum Umgang mit Sammlungsgut aus kolonialen Kontexten.