
Prost, mein Schatz!
Bunt bemalte Branntweinflaschen waren einst repräsentative Geschenke. Es handelte sich dabei um Freundschafts- oder Liebesgaben. Mit ihnen sollten Herz und Hand der Angebeteten erobert werden. In unserer Sammlung gibt es schöne Beispiele. Aktuell sind sie in der Sonderausstellung „Zum Wohl!“ zu bewundern.

Während Wein und Bier bis ins 19. Jahrhundert meist in Fässern aufbewahrt und mittels Schankkannen ausgeschenkt wurde, kam Hochprozentiges aus Flaschen. Historische Schnapsflaschen haben überwiegend kleinere Volumina. Ihre Gestaltung war lange uneinheitlich. Sie bestanden spätestens seit dem 17. Jahrhundert aus Glas, waren der besseren Stapelbarkeit geschuldet oft rechteckig, seltener rund und meist mit einem flachen Boden für einen stabilen Stand ausgestattet. Lange Flaschenhälse ermöglichten zwar einen genauen Ausschank, kurze Hälse brachen dagegen beim Transport seltener ab.
Innerhalb der Kategorie historischer Schnapsflaschen gibt es eine Gruppe aus kleinformatigen Flaschen mit vier- oder achteckiger Grundfläche, die von Anfang an als repräsentative Geschenke gedacht waren. Professionelle Glasmaler trugen das in bunter Emailmalerei ausgeführte Dekor schematisch und in raschen Pinselstrichen auf. Die vorherrschenden Farben waren Rot, Gelb, Weiß und Blau. Grün akzentuierte Details wie etwa die Erdscholle, auf der meist eine dargestellte Figur steht. Schwarz diente zur Konturierung und Wiedergabe von Augen, Mund und Nase sowie weiteren Einzelheiten.
Diese flüchtige Malerei ist nicht vergleichbar mit der detailreichen und sorgfältigen Emailmalerei auf den riesigen Glashumpen des 16. und 17. Jahrhunderts. Mit dem Übernehmen der allgemein bekannten Liebes- oder Ehemotive in einfacher Glasmalerei vollzog sich der Wandel vom adlig-großbürgerlichen Glas zum Glas für Jedermann endgültig.
Jene eckigen und bemalten Schnapsflaschen wurden massenhaft geblasen und lassen sich daher heute kaum mit bestimmten Glashütten in Verbindung bringen. Die dickwandigen Behältnisse umfassen meist zwischen 300 und 400 Milliliter Flüssigkeit. Oberhalb der abgesetzten Schulter ist eine ausgestellte Lippe für den Schraubverschluss aus Zinn vorhanden, woran dieser befestigt wurde. Er sollte das unkontrollierte Entweichen des kostbaren Inhalts verhindern.
Liebes- und Freundschaftsgaben
Die bunt bemalten Branntweinflaschen waren von Anfang an als repräsentative Geschenke gedacht. Es handelt sich dabei um Freundschafts- oder Liebesgaben, die bei der Kontaktanbahnung nützlichen Dienst versahen. Sie zählen zu den Dingen, die Verliebte einst ihren Auserwählten übergaben. Darauf weisen auch die aufgemalten Motive auf den Schauseiten der Flaschen hin. Die Schmalseiten bedecken meist nur Ornamente oder stilisierte Pflanzen. Schauseitig ist überwiegend eine Frau, einen Kelch reichend, seltener ein Mann oder ein Tier (z.B. Hirsch, Reh, Taube) dargestellt. Zudem gibt es Varianten, bei denen lediglich ein großes, ornamental gerahmtes Herz direkt den Sinn und Zweck der Gabe ausdrückt. Auf der Rückseite steht oft ein anlassbezogener Spruch, der die Absicht des Schenkenden unmissverständlich formuliert.
Das Gefühl der Liebe findet sich bei allen Menschen und in allen Zeiten in ähnlicher Form. Das Erleben und das Ausleben der Gefühle ist jedoch sozial und kulturell bestimmt. In der vorindustriellen, bäuerlichen Gesellschaft in Deutschland gaben soziale Institutionen die Regeln vor, wie Menschen sich kennenlernten – etwa durch Burschenvereine oder zu bestimmten Festivitäten.

Jugendliche beiderlei Geschlechtes hatten bei vorgegebenen Zusammenkünften die Möglichkeit einander kennen zu lernen und dabei auch Gefühle füreinander zu entwickeln und zu erkennen. Das geschah in Spinnstuben, bei Tanzveranstaltungen, bei Begegnungen an Ostern, zur Kirchweih/Kerwe/Kirmes oder zu Maibeginn.
Wenn sich daraus Zuneigung oder Liebe entwickelte, boten Geschenke – wie die bemalten Schnapsflaschen – die Möglichkeit, die Gefühle des Gegenübers auszuloten. Diese Gabe brachte eine „auf ein wechselseitiges Verhältnis angelegte Beziehung“ hervor und ihre Annahme „schuf Verpflichtung“. Die Verweigerung, das Geschenk anzunehmen, kam einem Gesichtsverlust in der dörflichen Gemeinschaft gleich. Ein Zusammenleben vor Ort war ohne Ansehensverlust nicht mehr möglich. Wurde das Geschenk jedoch angenommen, entstand eine Bindung, die in einem Rechtsakt gipfelte und unweigerlich zur Eheschließung führte. Die Geschenknehmer – meist die Frauen – hatten demnach ein relativ hohes Mitspracherecht in der Frage, wen sie heiraten wollten. Mit der Industrialisierung und damit einhergehenden Landflucht eröffneten sich vor allem in den Städten neue Erwerbsmöglichkeiten und Lockerungen dieser sozialen Norm und Kontrolle. Dies bedeutete eine zunehmend freiere Partnerwahl und Heiratsmöglichkeiten.

Ein Hoch auf das glückliche Paar
Ähnlichen Charakter wie die Flaschen offenbaren auch die sinnbildlichen Zierden auf kleinen Gläsern, die oft als Schnapsbecher bezeichnet werden. Sie wurden möglicherweise zum privaten Anstoßen mit Gästen im Haushalt benutzt. Ein bei Grabungen in Mannheim gefundener Glasbecher ist mit einer Dame geschmückt. Der beigefügte Spruch „Mein Herz das sucht bei Dir die Zuflucht“ lässt sich in den Kontext der Kontaktaufnahme bzw. der nächsten Stufe – der Hochzeit – einordnen. Bis heute ist es üblich, bei der Hochzeitsfeier ein „Hoch“ (Vivat) auf die Jungvermählten auszubringen. Früher nutzte das Paar ein spezielles Hochzeitsglas, um sich symbolisch zuzutrinken bzw. aus einem Glas zu trinken. Diese Becher waren nach der Hochzeit geschätzte Ziergläser.
Liebesgaben in Form von Branntweinflaschen können noch bis zum 6. Juli 2025 in der Sonderausstellung „Zum Wohl! – Gläserne Trinkgeschichten“ bewundert werden.
Neugierig geworden?
Gehen Sie noch bis 6. Juli 2025 in der Sonderausstellung Zum Wohl! auf Zeitreise. Zu bewundern gibt es facettenreiche Glasgefäße von der Antike bis zur Gegenwart. Krüge, Becher und Pokale erzählen faszinierende Geschichten zur Entwicklung unserer Trinkkultur.
In einem Video gewährt Kuratorin Eva-Maria Günther einen Einblick in die Schau „Zum Wohl!“.
Durst bekommen? Statten Sie auch unserer Sonderausstellung Essen und Trinken einen Besuch ab. Auch hier warten Ess- und Trinkgeschichten aus unterschiedlichen Epochen.
Glas ist ein überaus facettenreiches Material. Erfahren Sie in unserer Blog-Reihe mehr über die Verwendung von Glas in verschiedenen Epochen.