Sarah Bernhardt – Muse der Belle Époque

Vor 100 Jahren starb Sarah Bernhardt (1844-1923). Sie war eine Meisterin der Vermarktung: darstellende wie bildende Künstlerin, Enfant terrible, Markengesicht und zeitlebens in Konkurrenz zur „göttlichen“ Schauspieldiva Eleonora Duse. Aus heutiger Sicht war die Bernhardt ein Mega-Star, dem es gelang, von unten – ihre Mutter und all ihre Tanten waren Kurtisanen – als Workaholic und Influencerin in den Theaterolymp aufzusteigen.

„Man weiß, was ich kann. Man wird sehen, was ich wage.“

Ihr Motto „Quand même – Jetzt erst recht“ lässt sie fast jedes Hindernis meistern oder zumindest nicht aufgeben. Wie im Märchen träumt sie als Klosterschülerin nach einem Theaterbesuch davon, eine große Schauspielerin zu werden. Mit 14 Jahren ist sie Debütantin an der renommierten Comédie Française. Nach dem Angriff auf eine Kollegin, die ihre Schwester beleidigt hat, sieht sie sich mit dem Rauswurf und dem vorläufigen Ende ihrer Schauspielkarriere konfrontiert.

Mit Anfang zwanzig ist sie alleinerziehende Mutter eines Sohns und hält sich mit kleineren Rollen über Wasser. Dem Kontakt zum Direktor des Odéon-Theaters sowie ihrer Paraderolle in Alexandre Dumas‘ „Kameliendame“ verdankt sie ihren Höhenflug am Theater, der mit dem deutsch-französischen Krieg 1870/71 jäh unterbrochen wird. Spontan hilft sie, das Pariser Odéon in ein Lazarett umzuwandeln und verwundete Soldaten zu versorgen. Dabei schwört sie sich, niemals wieder deutschen Boden zu betreten.

Nach dem verlorenen Krieg setzt sie in Frankreichs Dritter Republik ihre Karriere erfolgreich fort. Mit Werbekampagnen von Sodawasser bis Absinth und dem Bild einer exaltierten, rätselhaften Diva zieht sie Reklameproduzenten und Modeschöpfer an. Wie keine andere ihrer Zeit lebt sie die Marotten einer Femme fatale auch privat aus oder lässt es die Menschheit zumindest glauben: ein Alligator als Haustier, der am Übergenuss von Champagner stirbt und ein Mahagonisarg als Rückzugsort, wo sie ihre Rollen einstudiert. Daneben spielt sie mit Geschlechterrollen, hat einen Hang zur Travestie und pflegt Beziehungen zu Männern wie Frauen. Das alles ist überaus skandalös, schürt aber zugleich Interesse und Begierde für ihre Person.

Immer wieder schwankt ihr Einkommen zwischen zu viel Geld und zu wenig, zugleich liebt sie den Luxus. Um diesen finanzieren zu können, geht sie 1880 als erster internationaler Star mit Dampfer und Pullmannwagen für sieben Monate und mit 42 Koffern auf Übersee-Tournee. Achtmal wird sie zurückkehren nach Amerika, das „ihrer Kameliendame“ an einem Abend mit 29 Vorhängen huldigt.

Ihre Theaterplakate von dem Jugendstilkünstler Alphonse Mucha machen sie bis heute unsterblich und zur Muse der Belle Époque. Sie zeigen sie als morbide Kameliendame, in der Rolle der rachsüchtigen „Salome“, die ihr Oscar Wilde auf den Leib geschrieben hat, oder als junger Herzog von Reichstadt in „L’Aiglon“ des französischen Bühnendichters Edmond Rostand.

„Ihr werdet mich nicht so kennenlernen wie ich war.“

Ihrem Grundsatz untreu werdend, Deutschland nie wieder zu betreten, ist sie in ihrer Hosenrolle in „L’Aiglon“ 1904 mit ihrer eigenen, 1899 gegründeten Theaterkompagnie auch am Mannheimer Nationaltheater zu bewundern. Ein Jahr davor bereits gab sie dort mit 59 Jahren die jugendliche Kameliendame. Die Theaterkritiker sind skeptisch, doch der Erfolg gibt ihr Recht, und bei der Sterbeszene am Ende „blieb kein Auge tränenleer“, wie ein Rezensent bemerkt.

So legendär wie ihre Sterbeszenen auf der Bühne ist auch ihre letzte Reise vor 100 Jahren. Als die 79-Jährige stirbt, begleiten Hunderttausende Menschen ihren Trauerzug zum Pariser Friedhof Père-Lachaise. Die Powerfrau hatte es bereits vorausgeahnt, als sie Jahre vorher ihren Grabspruch niederschrieb: „Der liebe Gott hat mir ein triumphales Leben geschenkt. Ich glaube, es wird auch im Triumph enden.“

Porträt in Belle Époque-Ausstellung

Ein Porträt von Sarah Bernhardt in der Ausstellung zur Belle Époque hat es mir besonders angetan. Es zeigt sie in selbstbewusster Pose mit karminrotem Kleid und langer Kette. Ihr volles rötliches Haar mit den grellrot geschminkten Lippen unterstreicht die expressiv überzeichneten Gesichtszüge der Endfünfzigerin. Die einstige Schönheit ist nur noch zu erahnen. Ausdruck und Haltung der Dargestellten haben jedoch nichts von ihrer Durchsetzungskraft und Willensstärke verloren, die man oft mit einem Raubtier verglich. Bis ins hohe Alter blieben sie ihr erhalten und waren Grundlage für ihre frühe Emanzipation, ihre außergewöhnlichen Leistungen sowie ihre öffentliche Wahrnehmung.

Neugierig geworden?

Boom-Zeit, Mode, Frauenbild und Mobilität – mehr über Mannheim um 1900 erfahren Sie in der Ausstellung Belle Époque.

Gehen Sie mit Kurator Andreas Krock auf eine Video-Führung durch die Schau oder werfen Sie einen Blick in die Begleitpublikation.