
Was macht eigentlich ein Restaurator?
Museen bergen viele spannende Berufe – darunter auch Restauratorinnen und Restauratoren. Im Mittelpunkt ihrer Arbeit steht der Schutz von Werken des kulturellen Erbes, um diese für zukünftige Generationen zu bewahren. Dabei hat sich der Beruf im vergangenen Jahrhundert bedeutend verändert. Wie vielfältig die Aufgaben und Herausforderungen sind, verrät uns Restaurator Bernd Hoffmann-Schimpf.

Bernd Hoffmann-Schimpf arbeitet seit mehr als 40 Jahren als Restaurator an den Reiss-Engelhorn-Museen. Der 64-Jährige ist heute leitender Restautor und kann auf eine langjährige Erfahrung mit großen Ausstellungsprojekten zurückblicken. Er selbst hat noch eine sechsjährige Ausbildung absolviert – für das handwerkliche Geschick drei Jahre im Töpferhandwerk mit Gesellenbrief und für die wissenschaftlichen Grundlagen der Konservierung und Restaurierung drei Jahre am Fachinstitut für Altertumskunde mit Abschlussprüfung. Mittlerweile ist der Start in den Restauratoren-Beruf in der Regel ein Studiengang an einer Fachhochschule (bestehend aus Bachelor und Master).
In den Reiss-Engelhorn-Museen sind 11 Restauratorinnen und Restauratoren – teils in Teilzeit – tätig, die in den unterschiedlichsten Bereichen arbeiten. Unter anderem gibt es Spezialisierungen in der Archäologie, Organik, Kunsthandwerk, Textil- oder Papierrestaurierung – alles in allem sehr vielfältig! Um einen Eindruck von seiner Arbeit zu erhalten, haben wir Bernd Hoffmann-Schimpf ein paar Fragen gestellt.
Was gehört zu Ihren Aufgaben?
Die Museumsarbeit ist sehr vielseitig. Es gibt in den Reiss-Engelhorn-Museen Restauratorinnen und Restauratoren, die bestimmte Sammlungsbereiche betreuen. Ich bin hingegen der Abteilung Ausstellungmanagement zugeordnet. Auf der einen Seite trage ich Sorge für unsere eigenen Sammlungspräsentationen, aber auch die zahlreichen Sonderausstellungen fallen in mein Aufgabengebiet. Da gibt es im Vorfeld, während der Ausstellungslaufzeit und beim Abbau vieles abzuklären und zu beachten. Bei Sonderausstellungen kommen oft Leihgaben von zahlreichen Museen nach Mannheim. Bei der Normannen-Ausstellung waren es 2022 z.B. rund 380 hochkarätige Leihgaben aus Museen in Deutschland, Frankreich, England, Schottland, Spanien, Italien, Norwegen, Schweden und dem Vatikan. Die Logistik dahinter – bis die Besucherinnen und Besucher die Exponate in den Vitrinen oder auf ihren Sockeln bewundern können – ist enorm.
Große Ausstellungsprojekte haben teils eine Vorlaufzeit von drei Jahren. Als Restaurator habe ich mindestens ein Jahr, bevor der Kurier mit den Objekten anreist, bereits mit Fragestellungen rund um Transport, Verpackung, Vitrine, Sicherheit und Montage zu tun. Dafür stehe ich in Kontakt mit dem Kuratoren-Team, Ausstellungsarchitekten, Leihgebern und deren Restauratoren. Je nachdem was gerade in Hinsicht auf Sicherheit für das Objekt, Klima, Licht, Handhabung und Montagen gefordert wird, muss man sich immer wieder neu einarbeiten.

Wenn die Leihgaben dann bei uns eintreffen, muss der Zustand protokollarisch festgehalten werden – das gleiche dann auch noch einmal bei der Abreise nach Ausstellungsende. Hat das Exponat den Transport bzw. die Ausstellungslaufzeit unbeschadet überstanden oder gibt es Veränderungen? Wir müssen zu jedem einzelnen Objekt eine Art Lebenslauf schreiben und das ist natürlich viel Arbeit, wenn man etwa wie bei der großen Päpste-Ausstellung 460 Leihgaben bearbeitet. Die Objekte werden dazu unter speziellem Licht fotografiert – natürlich ohne Blitzlicht –, damit wir den genauen Zustand festhalten können. Während der Ausstellungszeit werden Kontrollen durchgeführt und es müssen lückenlos die Bedingungen, in denen sich die Objekte befinden, festgehalten werden, wie z.B. Temperatur, Luftfeuchte und Belichtung. Teilweise werden die Werte wöchentlich an die Leihgeber weitergemeldet.
Was ist der Unterschied zwischen Konservieren und Restaurieren?
Man versucht in erster Linie Objekte zu konservieren. Die Restaurierung ist eigentlich die „letzte Maßnahme“, da man häufig einen Eingriff in die Materialien vornehmen muss. Konservieren heißt im Falle unserer Ausstellungen, dass man den Licht- und Klimaeintrag regelmäßig kontrollieren muss, sodass die Objekte in einem möglichst ruhigen und stabilen Klima liegen. Wenn man mehrere Objekte in einer Vitrine hat, muss man darauf achten, dass verschiedene Materialien auch verschiedene Ansprüche an das Klima stellen.
Auf der einen Seite hat man eine Vitrine mit Textilien und Handschriften und auf der anderen Seite eine Vitrine mit Waffen. Während die organischen Materialien beispielsweise eine Luftfeuchtigkeit von 50-55% bevorzugen, mögen es Metallobjekte möglichst trocken, also nicht mehr als 30-35%. Besonders anspruchsvoll wird es bei Kopositmaterialien – gemischten Materialien, z.B. Metalle in Verbindung mit Organik oder Holz mit Fassung und Farbe. So gibt es auch Textilen, die nicht aus Naturmaterialien bestehen, sondern auch mit Metallfäden durchwirkt sind.
Starke Temperaturschwankungen müssen in den Ausstellungsräumen unbedingt vermieden werden. Es ist wichtig hier mit einem Puffer zu arbeiten, da die Luftfeuchtigkeit von der Temperatur abhängig ist. Je wärmer es wird, desto mehr Feuchtigkeit kann gebunden werden. Wir wissen, dass allein Licht und Personen in den Ausstellungsräumen jeden Tag die Temperatur um 1,5°C beeinflussen. Um starke Schwankungen der Luftfeuchtigkeit auszugleichen, arbeiten wir mit bestimmten Hilfsmitteln, die wir versteckt in den Vitrinen ablegen und die den Feuchtigkeitswert abmildern. Wenn es zu trocken ist, gibt es die Möglichkeit, Luftbefeuchter aufzustellen.

Ähnlich ist es mit dem Lichteinfall. Da nehme ich gern mittelalterliche Handschriften als Beispiel. Solche Handschriften standen in den letzten Jahrhunderten meist in Schloss- oder Klosterbibliotheken, die – wenn überhaupt – nur wenig Tageslicht hatten. Außerdem wurden sie vermutlich seltener gelesen und kamen somit kaum ans Licht. Im Kontrast dazu werden sie in Ausstellungen von morgens bis abends künstlichem Licht ausgesetzt. Deswegen ist es wichtig, auf die Lichtstärke zu achten. Üblicherweise nimmt man 50 Lux. Bei zu starker und langer Beleuchtung bleicht die Handschrift im schlimmsten Fall aus und verliert die Farbe. Es gibt oft auch Vorgaben der Leihgeber. Es wird z.B. vorgeschrieben, welche Seite gezeigt werden darf und oft muss während der Ausstellungslaufzeit auch mehrmals umgeblättert werden, damit eine einzelne Seite nicht zu sehr beansprucht wird.
In welchem Fall kommt es im Aufbau tatsächlich zu einer Restaurierung?
Wenn ein Objekt nicht ausstellungsfähig ist. Wenn man beispielsweise beim Aufbau merkt, dass sich eine Fassung gelockert hat oder eine Klebung aufgeht, dann muss man nach Rücksprache mit den Leihgebern Sicherungsmaßnahmen durchführen. Die Restaurierung muss in solchen Fällen minimalinvasiv und reversibel sein. Das heißt jeder Arbeitsgang muss rückstandlos und nicht objektschädigend rückgeführt werden können. Es gibt spezielle Materialien für spezielle Objektgruppen. Im organischen Bereich – z.B. bei Papier oder Holz – werden möglichst organische Kleber eingesetzt wie Hasen-, Knochen- oder Fischleim. Wenn es sich um Metall oder Keramik handelt, nutzt man eher Acrylate. Das sind Kunststoffe, die man selbst als Lack oder Kleber zusammenmischen kann. Letztendlich muss man sich auf jedes Objekt individuell einrichten.
Sind Sie auf eine bestimmte Materialgruppe spezialisiert?
Ich habe meine Ausbildung vor 47 Jahren im Römisch-Germanischen Zentralmuseum in Mainz gemacht, weil es damals das einzige Institut war, welches eine Restauratoren-Ausbildung mit Abschlussprüfung angeboten hat. Die Ausbildung war im archäologischen Bereich. Somit bin ich archäologischer Restaurator. Ich bin dafür ausgebildet worden, auf Grabungen gerufen zu werden – meist bei sehr fragilen oder brüchigen Objekten, um sie dann später im Atelier für Ausstellungszwecke oder wissenschaftliche Untersuchungen weiterverarbeiten zu können. Heute mache ich jedoch mehr als das. Als Restaurator im Ausstellungsmanagement habe ich mit allen möglichen Materialien zu tun.

Wie fühlt es sich an Kulturschätzen aus dem Vatikan oder dem Louvre ganz nah zu kommen? Ist es immer noch etwas Besonderes?
Ich habe mittlerweile bei unzähligen kleineren und mehr als 180 großen nationalen und internationalen Ausstellungen mitgearbeitet. Als Restaurator komme ich den Exponaten natürlich besonders nahe. Es ist ein schönes Gefühl, Kunstschätze in aller Tiefe zu kennen, einfach weil ich sie für die Protokollierung und die Montage in die Hand nehmen durfte.
Es ist auch wirklich toll, dieses Vertrauen erworben zu haben. Ich stehe ja mit den Kollegen aus dem Louvre, Vatikan oder British Museum in Kontakt und wenn man dann die Objekte tatsächlich in der Hand hat, dann hat man alles richtig gemacht. Es ist nach wie vor etwas Besonderes. Wenn ich jetzt auf meine Zeit als Schüler oder Praktikant zurückblicke und daran denke, wie es war, das erste Mal eine römische Scherbe in der Hand zu halten, dann ist das für mich dasselbe Gefühl, wie wenn ich heute mit einer Leihgabe aus dem Louvre arbeite. Dieses Vertrauen zu genießen und mit solchen großen Institutionen zusammenarbeiten zu können, ist einfach toll. Die Ansprüche der Leihgeber in den letzten Jahren wurden und werden immer größer. Ja, es ist anstrengend ohne Zweifel, aber trotzdem toll.
Hält der Beruf auch nach 40 Jahren noch Herausforderungen bereit?
Jedes Objekt bringt andere Herausforderungen mit sich. Ich fasse meine Arbeit so auf, dass ich der Anwalt des Objekts bin. Das Objekt ist mein Klient und ich muss das Bestmögliche rausholen – wie kann ich es am besten schützen? Und da ist es egal, ob es ein auf den ersten Blick einfacher Löffel oder ein teurer Goldgegenstand ist. Es handelt sich um ein unwiederbringliches Original und ich weiß, wenn dieses in meiner Verantwortung runterfällt oder ein Kratzer entsteht, dann wird dies ein Teil seines Lebenslaufes und die Veränderung wäre auch in „500 Jahren“ noch da und das will ich nicht.
Was war die letzte große Herausforderung oder ein anspruchsvolles Projekt für Sie?
Die letzten großen Herausforderungen gab es 2022 bei der Normannen-Ausstellung. Wir hatten einen sehr anspruchsvollen Leihgeber, der vorab sogar Schadstoffmessungen aus dem Ausstellungsraum haben wollte. Es gab einen großen Anforderungskatalog, was alles zu berücksichtigen ist. Letztendlich konnten wir ihn aber so zufriedenstellen, dass er hinterher beim Abholen der Objekte nicht einmal einen eigenen Kurier geschickt hat, weil er gesehen hat, wie professionell unser Standard ist und wie sorgfältig wir gearbeitet haben. Da es durch die Digitalisierung immer mehr Möglichkeiten der Analyse und Messung für Licht, Luft, Feuchtigkeit und Schadstoffe gibt, wird auch immer mehr gefordert.
An welches Projekt erinnern Sie sich besonders gern?
Das ist eine schwere Frage. Ob nun das frühmittelalterliche Gräberfeld „Bösfeld“, der Bogenschützenfries aus dem Palast des persischen Königs Darius I., aufsehend gut erhaltene Objekte aus einem Gräberfeld der „Seidenstraße“, Objekte aus der „Verbotenen Stadt“ in Peking, die Himmelsscheibe von Nebra, eine Pestmaske aus dem Mittelalter, Objekte aus dem Grab Childerichs, das Kettenhemd und der Helm des Heiligen Wenzel aus dem Prager Domschatz, die Handprothese und Rüstung von Götz von Berlichingen, die Rüstung Kaiser Maximilians oder ein Gladiatorenhelm aus Neapel – da kommt einiges zusammen.
Besonders in Erinnerung geblieben ist mir die Restaurierung von Fresken aus der Casa del Frutteto in Pompeji. Ich bin eigentlich kein Fresken-Restaurator und musste damals nach Italien fliegen, wo ich von den Kollegen auf Herz und Niere geprüft wurde. Als die Objekte aus Pompeji dann nach Mannheim kamen und ich sie ohne Aufsicht bearbeiten und restaurieren durfte – das war natürlich eine gewisse Auszeichnung für mich.

Ich hatte in meinem Atelier 15 große Tische, auf denen die Fresken-Fragmente ausgelegt wurden. Dann habe ich verschiedene Proben genommen und Versuche gemacht, um herauszufinden, wie man sie am besten reinigen und restaurieren kann. In den Malflächen habe ich versucht, möglichst neutrale Ergänzungen anzusetzen. Später wurden die Fresken auf Platten aufgeklebt und ich habe mit einer Kalk-Zusammensetzung die Leerflächen ergänzt. Die Fresken waren insgesamt drei Jahre hier in Mannheim und zwischendurch kamen die italienischen Kollegen vorbei – jedoch weniger, um mich zu überprüfen, sondern mehr um die weiteren Arbeitsabläufe durchzusprechen. Das war schon eine tolle Aufgabe. Da wir in den drei Jahren auch mehrere Großausstellungen hatten, musste ich mir aktiv die Zeit für das Projekt nehmen. Ich hätte gerne noch länger an den Fresken gearbeitet.
Neugierig geworden?
Europäischer Tag der Restaurierung: Immer am dritten Sonntag im Oktober gewähren Restauratorinnen und Restauratoren einen spannenden Einblick in ihre Arbeit. Mehr dazu finden Sie hier
Der nächste Tag der Restaurierung findet am 20. Oktober 2024 statt. Auch wir machen mit! Schauen Sie unserem Restauratoren-Team über die Schulter und stellen Sie an Mitmach-Stationen Ihr Fingerspitzengefühl und Ihre Beobachtungsgabe unter Beweis.
Mehr zur Veranstaltung
Blick hinter die Kulissen: Erleben Sie unser Restauratoren-Team in Aktion. Wir haben den Aufbau der Normannen-Ausstellung in zwei Filmen begleitet. Seien Sie dabei, wenn der Bildstein von Smiss und die Krone von König Roger II. ausgepackt werden.
Sie wollen noch mehr über den Beruf des Restaurators erfahren? Dann schauen Sie doch auch auf der Seite des Verbands der Restauratoren vorbei.