You got the LUX!
Wer sich in der Dämmerung dem Mannheimer Zeughaus nähert, gerät in den Blick von LUX. Diese Lichtinstallation der Düsseldorfer Künstlerin Elisabeth Brockmann strahlt im wahrsten Sinne des Wortes seit der Wiedereröffnung des Zeughauses im Jahre 2007 über den Toulonplatz.
Die einzigartige Installation geht dabei weit über einen bloßen effekthascherischen Gag hinaus. Vielmehr entwickelt sich LUX zu einem Spiel mit Wahrnehmungen, Realitätsebenen und erlebbaren Zusammenhängen hin zu einer intensiven reziproken Kommunikation mit dem Betrachter. Man muss einfach nur das machen, was man im Museum sowieso tut: Genau hinschauen und beobachten.
Das Gesicht des Zeughauses – die Fassade! – schaut im Dunkeln auf ankommende oder vorbeigehende Besucher. Die quasi durch die Fensteröffnungen blickenden Augen fixieren aber nicht den Betrachter oder beobachten den einzelnen Passanten. Das wäre ja naheliegend. Vor allem bei einem Museum, in dem es bekanntlich aufs Schauen ankommt. Ungewöhnlich ist aber zunächst schon mal, dass das Gebäude durch die Fassade zu schauen scheint. Mit überdimensioniert großen Augen, als reduzierten sich Passanten und Besucher auf kleine Preziosen, die bestaunt werden.
Architecture parlante
Wenn von sprechender Architektur die Rede ist, dann meint man eine Fassade, die beispielsweise mit Lisenen, Gesimsen, Vorsprüngen, unterschiedlichen Fenstergrößen usw. gestaltet ist und dadurch die innere Struktur des Baus und die jeweilige Prominenz der dahinter liegenden Bereiche nach außen trägt. So erkennt man an der Fassade des Zeughauses eine Betonung der Mittelachse (Portal im Mittelrisalit, flankiert von zwei monumentalen Pilastern). Weiterhin präsentiert sich das hervorgehobene erste Geschoss durch besondere Fensterverdachungen. Auf diese Weise kommuniziert die Fassade dem Betrachter Einzelheiten der Gebäudestruktur.
Dem Architekten Peter Anton von Verschaffelt, dem wir diesen Entwurf wie auch die Ausführung zu verdanken haben, hat um 1777 eine damals sehr zukunftsweisende frühklassizistische Gestaltung entwickelt, die dennoch viele als zeitlos empfundene Selbstverständlichkeiten der hierarchisierenden Architektursprache beinhaltet. Demgegenüber bildet die Lichtinstallation LUX ein sich über die gesamte Fassade erstreckendes durchgängiges Motiv. Wenn die Fassadengliederung die bauliche Struktur erklärt, erhellen LUXs Augen dann die darin gezeigt Sammlung?
Intérieur voyant
LUX‘ Blick fixiert nicht den Betrachter. Die großen klaren blauen Augen schauen über den Betrachter hinweg und der Betrachter kann mit LUX keinen gegenseitigen Blickkontakt aufnehmen. Dass es sich um entpersonalisierte Blicke aus idealisierten Augen einer Puppe handelt, erschließt sich erst beim längeren Beobachten, denn durch eine digitale Nachbearbeitung wirken die Augen und mit ihnen der Blick durchaus belebt. Wenn es der Blick des Museumsinneren – also hinter der Fassade – nach draußen ist, so offenbart sich schon hier das von Elisabeth Brockmann durchaus beabsichtigte Ineinanderwirken der Zeiten. Das spätbarocke Spiel mit den Wirklichkeiten und Idealen – antike Helden, aufgeklärter Absolutismus – und der zerstörerisch-romantische Maschinengedanke – tote, unbeseelte Augen – des 19. Jahrhunderts finden sich gebündelt in LUX wieder.
Dies zu erkennen, dahinter zu blicken, durch die Fassade zum eigentlichen Kern, das ist die Aufforderung der Gerhard Richter Schülerin Elisabeth Brockmann an uns: Die Ebenen, die Wirklichkeiten, das Konstrukt hinter der Fassade, sprich: im Museum! – zu suchen. Das ist im Museum übertragbar auf jedes einzelne Exponat und auf jedes Narrativ. Verlebendigung findet im Museum statt durch Dahinterschauen und Entdeckenwollen. Das Faszinosum ist die konstruierte, weil eben nicht mehr existierende Welt dahinter. Real ist das nicht. Aber fesselnd.