Archäologische Sammlungen

Die Reiss-Engelhorn-Museen vereinigen große Sammlungsbestände der Archäologie unter ihren Dächern. Sie bilden den Grundstock für die Fundpräsentationen im Museum Weltkulturen und im Zeughaus. Diese Bestände umfassen Gegenstände aus den vor- und frühgeschichtlichen Teilen der Sammlung Gabriel von Max. Obwohl der Sammlungsschwerpunkt bei Gabriel von Max auf Objekten der europäischen Altsteinzeit lag, enthält seine Sammlung dennoch wichtige Funde aus allen vor- und frühgeschichtlichen Perioden und aus vielen Regionen Europas. Fundensembles der Alt- und Mittelsteinzeit aus den erworbenen Sammlungen von Hauser-Röchling und Karl-Friedrich Hormuth ergänzen den steinzeitlichen Bestand der rem thematisch.

Die Reiss-Engelhorn-Museen besitzen auch die kriegsbeschädigten Objekte aus Schlossmuseum und Zeughaus, die unter widrigsten Umständen viele Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs aus dem Kriegsschutt geborgen und in Holzkisten aufbewahrt wurden. Derzeit werden diese Funde erschlossen und inventarisiert. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass viele Objekte, die als Kriegsverluste gelten, vielfach unversehrt erhalten sind. Den größten Anteil an den Beständen der rem nehmen jedoch die Funde des vormaligen Mannheimer Altertumsverein von 1859 ein. Seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden Bestände von allen damals bekannten großen Ausgrabungsstätten erworben und durch Ausgrabungen oder Schenkungen kontinuierlich vermehrt. Die ersten Ausgrabungen u.a. in Neckarau, Wallstadt, Ladenburg, Osterburken, Neckarburken, Edingen und Schwetzingen wurden durch Mitglieder des Vereins durchgeführt.

Bestandteile der Sammlungsbestände in den Reiss-Engelhorn-Museen bilden auch Funde der archäologischen Denkmalpflege, die bis zur Einführung eines Denkmalschutzgesetzes im Jahre 1972 bei Baumaßnahmen in Mannheim und Umgebung geborgen wurden. Zu erwähnen sind hier besonders die reichen Ausstattungen der frühmittelalterlichen Friedhöfe von Mannheim-Vogelstang (Elkersberg), Heddesheim, Edingen, Schwetzingen, Plankstadt, OFtersheim, Altlußheim und Hockenheim.

Alt- und Mittelsteinzeit

Die alt- und mittelsteinzeitlichen Sammlungen werden vor allem durch zwei große Konvolute gebildet. Die Sammlung Gabriel von Max, die altsteinzeitliche Objekte aus Frankreich, Belgien und England enthält, und die drei sogenannten Hauser-Röchling Sammlungen mit Objekten aus den französischen Grabungen des Archäologen Otto Hauser, angekauft durch eine Stiftung des Mannheimer Bürgers Röchling

Daneben befinden sich auch einige kleinere Konvolute aus punktuellen Ankäufen (z.B. Rumänisches Gravettien), lokalen Aufsammlungen (z.B. Mauer, Atzelbuckel, Schultheißenbuckel) und Schenkungen (z.B. norddeutsches Spätpaläolithikum und Mesolithikum, afrikanisches Altpaläolithikum, Rohmaterialvergleichssammlung).

Insgesamt umfasst die Sammlung schätzungsweise rund 25.000 Objekte. Die Bedeutung dieser vor allem im 19. Jahrhunderts und während der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zusammengetragenen Sammlungen ist vielfältig: Neben hervorragenden Einzelstücken wie eiszeitlichen Kleinkunstgegenständen finden sich Stücke aus fast allen damals bekannten, wichtigen Fundstellen und historisch bedeutsame Objekte. Außerdem sind in sich geschlossene Fundensembles für die aktuelle wissenschaftliche Forschung von großer Bedeutung.

Neolithikum

Das Neolithikum (ca. 5500 - 2200 v. Chr.) ist eine Zeit tiefgreifender Veränderungen. Die Menschen begannen Ackerbau und Viehzucht zu betreiben, Häuser zu bauen und Keramikgefäße herzustellen. Damit vollzog sich eine radikale Abkehr von der wildbeuterischen Lebensweise. Das hatte nicht nur rituelle und soziale Veränderungen, sondern auch einen Wandel der Landschaft zur Folge.

Eine der faszinierendsten Eigenschaften des mitteleuropäischen Neolithikums ist die Plötzlichkeit dessen Erscheinens. Scheinbar aus dem Nichts heraus entstanden in vielen Gebieten Mitteleuropas landwirtschaftliche orientierte Siedlungen aus Langhäusern von überraschenden Dimensionen. Bei den Ausgrabungen solcher Siedlungen fand man Keramik mit einer auffälligen Verzierung, nach der diese Kultur "Linienbandkeramik" getauft wurde. Ausgangspunkt war Südosteuropa. Dass der Kontakt dorthin in der Folgezeit nicht abriss, verdeutlicht beispielhaft eine anthropomorphe Knochenspatula, die in Mannheim Vogelstang gefunden wurde.

Bronzezeit

Die Bronzezeit (ca. 2200 - 750 v. Chr.) prägt der technische, wirtschaftliche und soziale Wandel. Von herausragender Bedeutung ist die Verwendung von Bronze, einer Legierung aus Kupfer und Zinn, für die Herstellung von Waffen, Werkzeugen und Schmuck. Da das Zinn nur in wenigen Regionen Europas ansteht, erforderte die Bronzeproduktion überregionale Tauschbeziehungen. Solche Beziehungen spiegeln sich auch in einem Männergrab aus Mannheim Ilvesheim "Weingärten" wieder. In diesem Grab der frühen Bronzezeit wurde ein bronzener Dolch gefunden, dessen Form und Verzierung die besten Parallelen in Südengland und der Bretagne hat.

Aus den folgenden Jahrhunderten der Mittleren Bronzezeit (ca. 1650 - 1200 c. Chr.) stammen Gefäße aus der Siedlung von Mannheim-Käfertal (Süd). Sie geben einen Einblick in das Leben von Menschen, deren Zeit auf Grund der Grabmonumente, die sie errichteten, ihren Namen erhielt: Hügelgräberbronzezeit. Der letzte Abschnitt der Bronzezeit  ist durch tiefgreifende Umbrüche gekennzeichnet. Diese finden ihren Ausdruck in neuen Bestattungssitten, den Neugründungen von befestigten Siedlungen in Höhenlagen sowie veränderten ästhetischen Vorstellungen und Trachtsitten. Beispielsweise begann man im südlichen Mitteleuropa Kleidung mit Fibeln zu befestigen, die genauso wie heutige Sicherheitsnadeln funktionieren.

Eisenzeit

In der Eisenzeit (ca. 750 - 15 v. Chr.) wurde der Werkstoff Eisen das erste Mal in Mitteleuropa für die Produktion von Waffen und Werkzeugen genutzt. Daneben vollzogen sich weitere technische und bedeutende gesellschaftliche und ästhetische Veränderungen. In der Zeit zwischen dem 7. und 4. Jahrhundert v. Chr. wurden in verschiedenen Regionen Mitteleuropas prunkvolle Gräber errichtet, in denen die Mitglieder regionaler Eliten bestattet waren. In Mannheim-Ilvesheim "Weingärten" wurde im frühen 5. Jahrhundert v. Chr.  eine Frau beigesetzt, die an ihren Armen Ringe aus Bronze und Gagat trug. Ihre Oberbekleidung war mit zwei prächtigen Fibeln aus Bronze ausgestattet und ihre Ohrringe waren aus Gold gearbeitet.

Für das 4. und 3. Jahrhundert v. Chr. berichten antike Quellen von Kriegszügen der Kelten durch Mitteleuropa. In dieser Zeit wandelte sich der Grabkult. Schmuck, Trachtbestandteile und Keramikgefäßen wurden in neuen Formen und Techniken hergestellt. Darüber hinaus veränderte sich das Repertoire an Verzierungen.

In der späten Latènezeit (ca. 150 - 15 v. Chr.) bildeten sich stadtähnliche Siedlungen heraus. In diesen Siedlungen, die Cäsar "Oppida" nennt, wurden Münzen geprägt und verschiedenste Handwerke ausgeübt. Die Herstellung von Keramikgefäßen auf der schnell rotierenden Töpferscheibe setzte sich endgültig durch. Infolgedessen wandelte sich das Formenspektrum der Keramikgefäße. Zu den charakteristischen Formen dieser Zeit gehörten Flaschen.

Römerzeit + Spätantike

Spuren römischer Herrschaft entlang des Rheins datieren vom Beginn des 1. bis zum Ende des 5. Jahrhunderts n. Chr. In dieser Zeit entstehen die ersten Städte als Zentren von Verwaltung und Handel. Landwirtschaftliche Großbetriebe, sogenannte villae rusticae, werden eingerichtet und Straßen gebaut. Der Limes mit seinen Kastellen markiert die Grenzen des Imperium romanum. Bildliche Darstellungen von Göttern und Menschen, die Verwendung von Münzen oder Gebäude aus Ziegeln, Stein und Mörtel hinterlassen nachhaltige Spuren im Alltagsleben.

Die Sammlung provinzialrömischer Funde hat ihren geographischen Schwerpunkt im Rhein-Neckardreieck. Sie setzt sich zusammen aus Beständen des ehemaligen kurfürstlichen Antiquarium electorale aus der Zeit des Kurfürsten Carl Theodor, aus den Sammlungen des Mannheimer Altertumsvereins (Ankäufe und Grabungsfunde), Objekten des großherzoglichen Hofantiquariums sowie Funden aus Grabungen, die das Museum seit seiner Eröffnung durchgeführt hat.

Mittelalter

Merowingerzeit (480 - 751 n.Chr.)

Mit dem Sieg des Frankenkönigs Chlodwig aus dem Haus der Merowinger über die Alamannen im Jahre 506 wurde der Rhein-Neckar-Raum fränkisch. Noch vor der Mitte des 6. Jahrhunderts gründeten die ersten Siedler beispielsweise die Orte Feudenheim, Hermsheim und Seckenheim. Die Bestattungen in den ältesten Ortsgräberfeldern geben mit ihren unterschiedlichen und zum Teil qualitätvollen Ausstattungen Aufschluss über die Herkunft der Siedler, die soziale Schichtung und über wirtschaftliche Verhältnisse.

Das größte Gräberfeld aus dem Rhein-Neckar-Raum gehörte zum ehemaligen Hermsheim. Etwa 860 Gräber wurden in den Jahren 2002 - 2005 durch die Archäologische Denkmalpflege der Reiss-Engelhorn-Museen bei der Umgestaltung des Geländes an der Xaver-Fuhr-Straße freigelegt. Da der Bestattungsplatz schon während der Nutzung überschwemmt worden war, lagen die Gräber mehrfach übereinander. So blieben die tiefen Gräber des 6. Jahrhunderts von Plünderungen verschont.

Neuzeit

Die Archäologie der Stadt Mannheim ist bis heute ein junges Forschungsfeld. Anhand historischer Quellen zur Geschichte Mannheims wie beispielsweise anhand der Mannheimer Ratsprotokolle kann die Entwicklung der Stadt seit ihrer Gründung im Jahr 1607 erzählt werden. Doch anhand der archäologischen Ausgrabungen seit den späten 1970er Jahren ist es möglich, dieses Bild noch facettenreicher auszugestalten.