Erforschung von Objekten aus den Sammlungen Thorbecke / Bumiller

In den Reiss-Engelhorn-Museen arbeiten wir seit 2021 intensiv an der digitalen Erfassung der kolonialzeitlichen Sammlungen von Theodor Bumiller (1864 – 1912) und Franz und Marie Pauline Thorbecke (1884 – 1919). Dabei richten wir unsere Tätigkeit an der „3-Wege-Strategie“ aus, die von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe erstellt wurde. Es handelt sich bei beiden Konvoluten zusammen um insgesamt ca. 2700 Kulturgegenstände, deren Dokumentationsgeschichte wir in den laufenden Projekten aufbereiten. Unser Ziel ist es, eine größtmögliche Transparenz zu schaffen und eine möglichst vollständige digitale Zusammenstellung von vorhandenen Objektinformationen zu ermöglichen. So gelingt es uns, Perspektiven auf wertschätzende Gespräche mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Herkunftsgemeinschaften sowie weiterführende Recherchen zu eröffnen. Das Forschungsprojekt wird vom Ministerium für Wissenschaft und Kunst Baden-Württemberg finanziell gefördert.

Theodor-Bumiller-Sammlung

Die Objekte aus der Sammlung von Theodor Bumiller kommen aus dem ehemaligen Deutsch-Ostafrika. Sie entstammen größtenteils einer militärische „Strafexpedition“ zur Unterwerfung von einheimischen Bevölkerungsgruppen, die 1889 vom Deutschen Reich angeordnet wurde. Bumiller beteiligte sich als Adjutant im Range eines Premierleutnants an dieser Strafexpedition unter der Führung des heute berüchtigten Kolonialisten Hermann von Wissmann (1853 – 1905) und brachte bei diesem Anlass durch Plünderung zahlreiche ethnografische Objekte in seinen Besitz.   

Über Theodor Bumiller

Theodor Bumiller wurde am 22. Juni 1864 in Landstuhl (Rheinpfalz) geboren. Er war mit Emilie Lanz, der Tochter des Mannheimer Maschinenfabrikanten Heinrich Lanz, verheiratet. Bumiller studierte in Heidelberg, Göttingen und Berlin und schloss mit Promotion ab. 1889 trat er in die sogenannte „kaiserliche Schutztruppe“ ein, die vom damaligen kaiserlichen Reichskommissar Hermann von Wissmann zur Bekämpfung einer lokalen Widerstandsbewegung an der ostafrikanischen Küste (in zeitgenössischen Quellen als „Araberaufstand“ bezeichnet) aufgestellt wurde. In den folgenden Jahren beteiligte sich Bumiller an weiteren Eroberungsfeldzügen und Militäraktionen, zum Beispiel an der Kilimandscharo-Expedition 1891. Im Jahr 1896 verließ Bumiller Deutsch-Ostafrika und war an verschiedenen Stellen der Kolonialadministration beschäftigt, unter anderem in Paris und Kairo. Er unternahm weiterhin ausgedehnte Reisen, darunter eine Expedition nach Sibirien. 1912 ging er als Kriegsberichterstatter in die Türkei, wo er am 26. November in Konstantinopel an einer Cholerainfektion starb.

Über die Sammlung

Nach zeitgenössischen Berichten soll das Haus, das Theodor Bumiller mit seiner Frau im Zentrum Mannheims bewohnte, einem kleinen Museum geglichen haben. Bereits 1889 und 1894 fanden in Mannheim Sonderausstellungen mit Bumillers Objekten statt, die er bei seinen Aufenthalten vor allem in Ostafrika zusammengetragen hatte. Acht Jahre nach seinem Tod übergab seine Frau 1920 die Sammlung als Schenkung dem Städtischen Reiß-Museum.

Die Bumiller-Sammlung befindet sich heute in den Beständen der Sammlung „Weltkulturen und Naturkunde“ der Reiss-Engelhorn-Museen und umfasst ca. 1.300 Objekte. Ein Schwerpunkt der Sammlung liegt auf der materiellen Kultur der Massai. Neben zahlreichen Waffen finden sich auch Schmuck, Kleidung und Alltagsgegenstände.

Forschung 

Bei der Erforschung der Sammlung Bumiller beschäftigen wir uns intensiv mit allen wesentlichen Dokumenten, die mit der Sammlung in Zusammenhang stehen. Dadurch können wir die Informationen über jedes Objekt möglichst vollständig abgleichen und auf den neuesten Stand bringen. Die Sammlungsgeschichte wurde bisher mit Bumiller selbst sowie dem deutschen Journalisten, Autor und Stationsleiter Fritz Bley in Deutsch-Ostafrika in Verbindung gebracht. Aus dessen Besitz hatte Bumiller nachweislich einen Teil der Objekte erworben, jedoch erklärt dies nur bei etwa einem Viertel der Bestände diese Herkunft. Daher suchen wir auch verstärkt nach weiteren Erwerbsumständen und Quellen. So konnten wir aus den laufenden Recherchen die Mitwirkung weiterer Akteure  bei der Entstehung der Sammlung ermitteln, wie am Beispiel der Eintragung „Karawanentrommel aus Uniamwesi, Beipack zu Collo. Nr. 5 Eigenthum des Herrn A. Lene“ auf der Fritz-Bley-Liste festzustellen ist. Das lässt die Beteiligung dritter Personen mit der Sammlungsgeschichte erkennen und eröffnet uns eine neue Perspektive in der Erforschung der Erwerbskette der Objekte.

Historische Fotografie, Theodor Bumiller, Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim

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Franz-Thorbecke-Sammlung

Die Objekte aus der Sammlung von Franz Thorbecke stammen aus Kamerun. Die Sammlung bildet einen bedeutenden Grundstock der Afrika-Sammlung in den Reiss-Engelhorn-Museen. Sie wurde 1913 vom Ehepaar Franz und Marie Pauline Thorbecke dem Museum als Schenkung übergeben.   

Über Franz Thorbecke

Franz Thorbecke (1884 – 1919) war studierter Geograph. Er unternahm 1911 – 1913 mit seiner Frau Marie Pauline Thorbecke (1882 – 1971) im Auftrag der Deutschen Kolonialgesellschaft eine wissenschaftliche Expedition nach Kamerun, um geografische und kulturelle Verhältnisse des Hochlands von Mittelkamerun zu erforschen.  Dies diente auch der Vorbereitung weiterer Aktivitäten der Kolonialgesellschaft.

Über die Sammlung

Das Ehepaar Thorbecke sammelte im Rahmen der wissenschaftlichen Expedition auch viele ethnographische Objekte in Kamerun. Sie wurden größtenteils im Tauschhandel mit anderen mitgeführten Waren eingehandelt. Da die Stadt Mannheim die Expedition mitfinanziert hatte, erhielt sie als Gegenleistung dafür den ethnographischen Teil der Sammlung. Diese Objekte fanden dann Eingang in die Bestände des damaligen Städtischen Reiß-Museums. Die Thorbecke-Sammlung befindet sich heute in der Sammlung „Weltkulturen und Naturkunde“ der Reiss-Engelhorn-Museen und umfasst ca. 1.400 Objekte.

Forschung 

Die unmittelbaren Schriftquellen zur Thorbecke-Sammlung umfassen Objektlisten und ein Reisetagebuch über die Erwerbsumstände der ethnographischen Objekte. Die Daten aus diesen Unterlagen ermitteln wir im Projekt eingehend und bereiten sie als Gesamtdokumentation digital auf. Daraus ergeben sich für uns schon einige neue Erkenntnisse. Neben einer Vielzahl von Alltagsgegenständen aus verschiedenen Regionen Kameruns können wir in der Thorbecke-Sammlung weitere Objekte feststellen, die bestimmten örtlichen Persönlichkeiten zugeordnet werden. Ein wesentlicher Bestandteil davon stammt aus dem direkten Besitz des Königreiches von Foumban und einige können sogar mit dem Vater des Sultans Njoya in Verbindung gebracht werden. Erkennen lässt sich ebenfalls, dass etliche Waffen in der Sammlung vorhanden sind, die 1911 bei einer „Strafexpedition“ gegen widerständige Einheimische als Kriegsbeute zusammengetragen wurden. Diese Waffen aus Feldzügen wurden dem Ehepaar von deutschen Militärstationsleitern in Kamerun als Geschenk übergeben. Damit lässt sich unter anderem auch auf eine teilweise Verbindung der gesamten Thorbecke-Sammlung mit kriegerischen Erwerbungskontexten hinweisen.