Schwimmende Paläste

An der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert boomten Schiffsreisen. Das betuchte Bürgertum unternahm Luxuskreuzfahrten und Millionen von Auswanderern machten sich auf den Weg ins ferne Amerika. Um Größe und Ausstattung der Riesendampfer entbrannte ein erbitterter Wettstreit.

„Langsam wie im Zeitlupentempo wurde der Riesendampfer vom Pier gezogen. Vom Ufer aus verfolgte eine winkende Menschenmenge das Schiff entlang des Anlegers, während die Passagiere Blumen von Bord warfen.“ Jack Thayer (1894-1945), 17-jähriger Überlebender des Untergangs der Titanic

Vor 110 Jahren am 10. April 1912 startete die Titanic unter britischer Flagge von Southampton aus ihre Jungfernfahrt in Richtung New York. Nur vier Tage später sollte sich ihr Schicksal besiegeln und das „Schiff der Träume“ in einem Albtraum enden. Von über 2000 Passagieren und Crew-Mitgliedern konnten damals lediglich 710 Personen gerettet werden, da auch nicht ausreichend Rettungsboote zur Verfügung standen und der damals weltweit größte Riesendampfer als unsinkbar galt. Doch dieses Kräftemessen der größten, schnellsten und luxuriösesten Schiffe hatte in diesen Jahren bereits Tradition und sollte bis zum Ersten Weltkrieg noch gigantischere Ausmaße annehmen.

Luxusliner auf großer Fahrt

Bereits 1893 hatte sich das Mannheimer Geschwisterpaar Carl und Anna Reiß auf seiner Rückreise von New York nach Hamburg von der exklusiven Ausstattung eines deutschen Luxusliners überzeugen können. Dies belegen zwei Aufnahmen ihrer Fotosammlung. Eingerichtet in neobarockem Pomp war die 145 Meter lange Augusta Victoria bereits 1891 zu einer Orientreise aufgebrochen, die als erste Kreuzfahrt überhaupt in die Geschichte einging. Die zweimonatige Reise war damals für den Preis eines Eigenheims zu haben. Doch dafür gab es Kabinen mit eigenem Badezimmer und elektrischem Licht, eine erstklassige Küche sowie abwechslungsreiches Unterhaltungsprogramm, für das eine fast 250-köpfige Besatzung sorgte.

Passagiere der dritten Klasse

Zur Rentabilität dieser Schiffe trugen jedoch vor allem die Passagiere der dritten Klasse bei, die damals in Massen und fensterlosen Zwischendecks zu neuen Ufern aufbrachen: Emigranten aus politischen, wirtschaftlichen oder sonstigen Gründen. Oft opferten sie dafür ihr letztes Geld, an dem Auswanderungsagenturen und Reedereien gut verdienten. Der Schiffsdampfer Deutschland, von dem sich in den rem ein historisches Modell erhalten hat, besaß erstmals ein größeres und bequemeres Zwischendeck in Relation zu den Kabinen der ersten und zweiten Klasse. 1900 vom Stapel gelaufen, war das mehrmals schnellste Schiff auf der Transatlantikroute von Hamburg nach New York zugleich Hoffnungsträger auf dem Weg in die viel gepriesenen Vereinigten Staaten. Bald aber war auch die Deutschland Geschichte und hieß nur noch „The Cocktail Shaker", da bei laufenden Maschinen alles vibrierte und man sein eigenes Wort nicht verstand. Auf dem Oberdeck schwankten die riesigen Kristalllüster, und es ging stets eine Menge Geschirr zu Bruch.

Riesendampfer Imperator

Doch 1913 wurde mit der deutschen Antwort auf die 1912 gesunkene Titanic erneut ein Rekord gebrochen, was Größe und Ausstattung eines Passagierschiffes betraf. Außerdem erhielt der Riesendampfer Imperator auf Wunsch von Wilhelm II. erstmals einen männlichen Namen. Dies war bisher unüblich gewesen, sollte aber gleichzeitig die Überzeugung des marinebegeisterten Monarchen zum Ausdruck bringen, „Deutschlands Zukunft liege auf dem Wasser“. Um fast doppelt so viele Passagiere wie auf der Titanic, für die jetzt genügend Rettungsboote zur Verfügung standen, kümmerte sich ein Heer an Personal in der ersten und zweiten Klasse. Über drei Decks reichte das Marmor-Hallenbad im pompejanischen Stil, wo sich zugleich die neueste Bademode vorführen ließ. Lediglich noch getoppt von der Küche, zeichnete doch der französische Starkoch Auguste Escoffier (1846-1935) dafür verantwortlich, der bereits beim Stapellauf das Festbankett persönlich ausgerichtet hatte. 1914 fand die Pracht der Luxusliner ein schnelles Ende, als die einst miteinander konkurrierenden Nationen gegeneinander im Krieg lagen und die Schiffe zum Teil annektiert oder später verschrottet wurden.

Neugierig geworden?

Mannheim wurde wegen seiner guten Verkehrsanbindung im 19. Jahrhundert zu einem Drehkreuz der Auswanderungswelle nach Übersee. Dieses spannende Kapitel beleuchtet die Ausstellung Belle Époque.

Auf was Sie sich in der Schau noch freuen dürfen? Gehen Sie mit Kurator Andreas Krock auf eine Video-Führung oder werfen Sie einen Blick in die Begleitpublikation.