Ein Mann aus Syrien

Mit den römischen Hilfstruppen kamen im 1. Jahrhundert Soldaten aus fernen Gebieten in unsere Region – so wie Sibbaeus, ein junger Mann von der syrischen Grenze. Sein Grabstein und weitere Römersteine erzählen spannende Geschichten.

Mannheim hatte keine römische Garnison, aber in der Festung Mainz lagen zwei Legionen und verschiedene Hilfstruppen, Infanterie und Kavallerie. Abteilungen wurden in die kleineren Kastelle wie Speyer und Worms abgeordnet, außerdem mussten die Soldaten nicht nur trainieren, sondern auch Straßen bauen.

Ruf der Ferne

Während in den Legionen grundsätzlich Männer mit dem römischen Bürgerrecht dienten, wurden für die so genannten Hilfstruppen junge Männer rekrutiert, die nicht einmal innerhalb der Grenzen des römischen Reiches zu Hause sein mussten. Mangelnde wirtschaftliche Aussichten, Abenteuerlust, Anspruch auf geregelten Sold, was auch immer ihre Beweggründe waren, viele Tausende Männer folgten dem Ruf in die Ferne. Vor allem im frühen 1. Jahrhundert n. Chr. wurden Truppeneinheiten in einem begrenzten Gebiet zusammengestellt und dann in einen anderen Teil des Reiches verlegt. Man vergleiche das Motto eines Werbeplakats der British Army im frühen 20. Jahrhundert „Join the Army, see the world“. Ihren Namen erhielt jede Einheit nach dem ersten Rekrutierungsgebiet.

Auf unserem Grabstein eines jungen Mannes wird Ituräa genannt, ein Gebiet im Norden des heutigen Libanon, an der Grenze zu Syrien. Die Ituräer wurden von den römischen Berichterstattern als Nomaden und auch als hervorragende Bogenschützen bezeichnet.

Sibbaeus, Sohn von Ero

Unser junger Mann – Sibbaeus, Sohn von Ero (Heron) – gehörte der Cohors I Ituraeorum an, der 1. Infanteriekohorte, die schon zu Zeit des Kaisers Augustus in Mainz stationiert war. Er verfügte über ein besonderes Talent: er konnte ein Signalinstrument bedienen – die tuba – und wird deshalb als tubicen bezeichnet. Die römische Tuba hat mit der heutigen allerdings nichts gemeinsam. Er „übersetzte“ die Kommandos der Offiziere in Signale. Wir kennen dergleichen heute noch bei den Jägern.

Sibbaeus war bei seinem Tod erst 24 Jahre alt, aber schon seit acht Jahren bei der Truppe. Kriegerische Auseinandersetzungen gab es im 1. Jahrhundert um Mainz nicht. Ob ihn ein Unfall, eine böse Grippe oder die Wunden nach einer Schlägerei das Leben kostete, werden wir nie erfahren. Sicher war er stolz auf seine besonderen Fähigkeiten. Als Signalgeber bekam er zwar auch nicht mehr Sold als die Kameraden, aber von den lästigen Pflichten des Schanzens, Wachestehens oder Latrinenputzens war er befreit. Möglicherweise hat sich Sibbaeus zu Lebzeiten den Grabstein in dieser Form gewünscht. Der Steinmetz hat ihn zwischen zwei eckigen Säulchen bis zur Hüfte dargestellt, der linke Arm steckt etwas misslungen im dicken Mantel, mit der Rechten hält er die zusammensteckbare Tuba vor der Brust. Der kurze Haarschnitt und die großen Augen sind natürlich nicht porträtähnlich wie ein Foto zu verstehen. Über und hinter Kopf und Schultern spannt sich eine mit Pflanzen und Ranken gezierte Nische mit Giebel.

Römersteine

Grabsteine liefern uns eine Fülle von Nachrichten über die Lebenden. Das wussten auch die Gelehrten der von Kurfürst Carl Theodor 1763 gegründeten Akademie, die alsbald auf Reisen gingen und in Mainz eine große Anzahl von Römersteinen ankauften, darunter diesen hier. Die Steine konnten im Schloss besichtigt werden, erlitten 1944 durch Bombardierung starke Schäden. Der Stein des Sibbaeus und die anderen wurde erst 2015 bei der Vorbereitung des neuen Ausstellungsbereichs „Ein Hauch von Rom“ im Museum Weltkulturen restauriert und somit für die Zukunft gesichert.

Neugierig geworden?

Den Grabstein des Tubicen Sibbaeus sowie weitere Römersteine können Sie im Bereich „Ein Hauch von Rom“ in der Ausstellung Versunkene Geschichte im Museum Weltkulturen bewundern.

Erfahren Sie mehr über die Archäologische Denkmalpflege an den rem.

Lesetipp

  • M. Grünewald: Ein Hauch von Rom. Schätze aus den Mannheimer Sammlungen. Regensburg 2016, erhältlich an der Museumskasse