Belle Époque

Tanz und Taumel einer Epoche

Museum Zeughaus

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Über die Ausstellung

Tauchen Sie ein in ein atemberaubendes Kapitel der Mannheimer Stadtgeschichte. Nach dem Prunk der Residenzstadt im 18. Jahrhundert erlebte die Quadratestadt in der „Belle Époque“ eine weitere Goldene Ära. Mannheim wurde zur pulsierenden Großstadt, gefeierte Künstlerinnen wie Sarah Bernhardt oder Isadora Duncan sorgten mit ihren Auftritten für Furore. Wasserturm, Rosengarten und Industriehafen wurden erbaut, die elektrische Straßenbahn nahm ihren Dienst auf und luxuriöse Warenhäuser versorgten das modebewusste Bürgertum. Das Frauenbild schwankte zwischen sittsamer Ehefrau und verruchter „Femme fatale“. Der Aufschwung hatte aber auch seine Schattenseiten. Neben exklusiven Villenvierteln entstanden dicht bevölkerte Arbeiterwohnquartiere. Die Ausstellung fängt die Aufbruchsstimmung an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert ein. Gemälde, Fotografien, Kunstgewerbe, Möbel, ein Benz-Mobil und Kostüme verbinden sich zum Kaleidoskop einer faszinierenden Epoche.

Schiffahrt, Auswanderung und Bademode aus der Zeit um 1900

Auch das Thema Schifffahrt spielt in der Ausstellung eine Rolle. Diese erlebte damals einen besonderen Boom. Millionen Europäer verließen ihre Heimat und suchten ihr Glück im fernen Amerika. Mannheim mit seinen Flüssen und einem ausgebauten Schienennetz wurde zu einem Zentrum des Auswanderungsverkehrs. Ungleich luxuriöser waren die ersten Vergnügungskreuzfahrten des betuchten Bürgertums. So stach beispielsweise das Mannheimer Geschwisterpaar Carl und Anna Reiß mit dem legendären Dampfschiff „Augusta Victoria“ in See. Außerdem erfreuten sich Bade- und Kuraufenthalte wachsender Beliebtheit. Die Schau präsentiert Bademode aus der Zeit um 1900.

Hektik der Großstadt

Mit über 100 000 Einwohnern zählt Mannheim um 1900 zu den Großstädten, die von Bevölkerungswachstum und Bautätigkeit geprägt sind. Für die zentrale Wasserversorgung und Kanalisation werden sämtliche Straßen aufgerissen. Als neues Wahrzeichen entsteht der Wasserturm, mit dem sich der städtebauliche Akzent vom Schloss in Richtung Planken und Friedrichsplatz verschiebt.

Paris als Vorzeigemetropole des 19. Jahrhunderts dient als Vorbild für breit angelegte, gepflasterte Straßen zum Flanieren und für die neuen Verkehrsmittel. 1900 wird in Paris die erste Metrolinie eröffnet. Zeitgleich wird in Mannheim die Pferdebahn durch die elektrische Straßenbahn ersetzt.

Bis 1903 werden in der Innenstadt ca. zwei Drittel der Gebäude neu errichtet bzw. umgebaut. Eindrucksvolle Geschäfts- und Bankhäuser sowie öffentliche Gebäude sind sichtbarer Ausdruck einer aufstrebenden Industrie-, Handels- und Wirtschaftsmetropole. Bis 1914 wächst die Einwohnerzahl auf über 200.000, auch bedingt durch die höchsten Löhne, die damals in Baden gezahlt werden. Die Nachfrage nach Dienstboten in Mannheim ist in dieser Zeit am größten in ganz Deutschland.

Soziale Gegensätze

Mannheim verdankt seinen Aufstieg in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts drei Faktoren: seiner Lage an Rhein und Neckar, dem seit 1840 kontinuierlichen Ausbau des Eisenbahnschienennetzes und schließlich der Aufgeschlossenheit seiner Stadtväter gegenüber den Neuerungen der Zeit. Zum 300-jährigen Stadtjubiläum 1907 weiht der badische Großherzog Friedrich I. den Industriehafen als zweitgrößten Binnenhafen des Kontinents ein, an dem das größte Mühlenzentrum Europas entsteht. Erfinder, Pioniere und Existenzgründer aus ganz Deutschland können ihre Ideen erfolgreich umzusetzen und tragen in den kommenden Jahren zu Wachstum und Wohlstand der Stadt bei.

Dem wirtschaftlichen und finanziellen Erfolg des neuen Besitzbürgertums stehen Wohnungsnot und mangelnde Hygiene bei einem Großteil der Bevölkerung gegenüber. Zwischen 1850 und 1907 hat sich die die Bevölkerungszahl um das Siebenfache auf über 170.000 Einwohner vergrößert. Mehr als die Hälfte davon stammt nicht mehr aus Mannheim. Rund 30.000 Arbeiter leben damals schon in der Stadt. Privates Mäzenatentum, Stiftungen des Großbürgertums sowie der Bau von Werkswohnungen durch Industrielle tragen zu einem gewissen Ausgleich bei. Neben exklusiven Villenvierteln wie der Oststadt entstehen in manchen Stadtteilen wie dem Jungbusch oder auf dem Lindenhof Arbeiterwohnquartiere mit relativ hoher Wohndichte.

Flucht ins Vergnügen

Arbeitszeiten von bis zu zehn Stunden täglich bei drei bis sechs Urlaubstagen pro Jahr lassen wenig Freizeit. Oft reicht am Abend nur die Flucht ins Vergnügen in eines der rund zehn Varietés in Mannheim wie Apollo-Theater, Amicitia oder Colloseum (heute Capitol). Große Stars treten dort auf: die Pariser Diseuse Yvette Guilbert, oft von Toulouse-Lautrec dargestellt, der Couplet-Sänger Otto Reuter, die Clowns Charlie Rivel und Grock oder die Tänzerin, Sängerin und Kurtisane „La Belle Otéro“. In der Konzerthalle des Rosengartens sowie am Nationaltheater gastieren gefeierte Schauspielerinnen wie Eleonora Duse und Sarah Bernhardt oder die Tänzerin Isadora Duncan. Mannheim steht damals mit an der Spitze deutscher Unterhaltungskultur.

Großzügige Grünflächen und Parkanlagen werden angelegt wie der Friedrichspark bei der Alten Sternwarte und der Luisenpark entlang des Neckars, benannt nach Großherzogin Luise. Zum 300-jährigen Stadtjubiläum entsteht als Visitenkarte der Stadt die einzigartige Jugendstilanlage von Bruno Schmitz am Friedrichsplatz mit der Kunsthalle als angrenzender Ausstellungsbau. Der Erste Weltkrieg verhindert den ebenfalls dort geplanten Bau des Reiß-Museums.

Schicksalsfrauen + Malerfürsten

Das Bild der bürgerlichen Frau bestimmt die Kunst der Belle Époque wie keine andere Epoche. Schönster Schmuck des Mannes soll sie sein, sittsam als Ehefrau wie Mutter und zugleich attraktiv und gesellschaftsfähig. Dies drückt sich in unzähligen Porträts dieser Zeit aus.

Damalige Malerfürsten wie Franz von Lenbach und Franz von Stuck huldigen ihrem weiblichen Publikum in anmutigen Posen und schmeichelhaftem Äußeren, was ihren Erfolg zusätzlich steigert. Im Vordergrund stehen künstlerische Perfektion und psychologische Erfassung des Gegenübers. Als „Seelenmaler“ verstehen sie es, das Innerste der Porträtierten nach außen zu kehren, wie der aus Mannheim stammende Otto Propheter.

Doch die Abhängigkeit vom Auftraggeber macht sie auch zu Modemalern ihrer Zeit. Der Porträtstil droht in akademischer Perfektion sowie modischer Beliebigkeit zu erstarren. Dabei erinnern die statuarischen Posen der Dargestellten an Porträtfotografien, oft Vorlagen für die Gemälde, um die damals große Nachfrage nach Gesellschaftsporträts bedienen zu können.

Femme fatale

Die „Femme fatale“, ein neuer Frauentypus der Belle Époque, wird Ziel künstlerischen Interesses. Ob verführerische Eva, männerverschlingender Vamp oder Madonna mit Engelsgesicht hat sie bis heute nichts von ihrer Popularität verloren. Sarah Bernhardt, eine der ersten Schauspieldiven, lebt das Bild einer Femme fatale auch im Privatleben aus. Am Nationaltheater Mannheim gibt sie 1903 mit bereits 59 Jahren ihr Gastspiel als jugendliche Kameliendame. Als Oscar Wildes „Salome“, eigens für sie geschrieben, feiert sie wahre Triumphe.

Auch berühmte Kurtisanen gelten in dieser Zeit als Femmes fatales. Waren im 18. Jahrhundert die Mätressen der Fürsten einflussnehmend und stilprägend, so sind es im 19. Jahrhundert die Kurtisanen, denen ihre reichen Verehrer einen luxuriösen Lebensstil ermöglichen.

Demgegenüber steht die Prostitution vieler Frauen, die damals vom Land kommen und in den Fabriken arbeiten. Um in den Städten überleben zu können, prostituieren sie sich und infizieren sich nicht selten mit Syphilis oder verfallen dem Alkohol. 1908 sind in Mannheim offiziell 45 Prostituierte registriert. Doch die Dunkelziffer liegt weitaus höher. In der damaligen Gutemannstraße gehen viele ihrem Gewerbe nach. Dort fahren am Abend feine Herren in Kutschen oder Automobilen vor. Orte der Begierde sind stark frequentiert und häufig Thema von Karikaturen.

Mobilität + Mode

Alles scheint in Bewegung an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Mobilität heißt das Zauberwort. Droschken werden zunehmend durch den 1886 entwickelten „Verbrennungsmotor auf vier Rädern“ von Carl Benz abgelöst. Zugleich wird die Straße zum Schauplatz modischer Auftritte und das Schaufensterbummeln zur beliebten Freizeitbeschäftigung. Luxuriöse Warenhäuser in Mannheim wie Kander, Schmoller, Wronker und das Modehaus Engelhorn sorgen für den neuesten Pariser Chic. Wer es sich leisten kann, trägt Kreationen berühmter Modeschöpfer wie Mariano Fortuny in Venedig oder Paul Poiret in Paris. Beide befreien die Frauen vom Korsett. Parallel dazu wird der Büstenhalter erfunden.

Hut, Schirm und Handschuhe sind bei Frauen das absolute „Muss". Bei den Herren herrscht Einheitsgrau bzw. Schwarz/Weiß und nur die Barttracht und Hüte wechseln: vom Zylinder über die Melone bis zum Strohhut bzw. der sogenannten Kreissäge in der Sommerfrische. Neben der Uniform dominieren zu festlichen Anlässen bei den Damen prächtige Roben, getreu der damaligen Devise: die Frau ist der wichtigste Schmuck des Mannes.

Reisen + Exotik

Reisen auf kürzeren Strecken bzw. in die Ferne erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Prächtige Bahnhofsbauten auch in Mannheim verströmen bereits Exklusivität.

Die Geschwister Carl und Anna Reiß bringen von ihren Reisen um den halben Erdball eindrucksvolle Fotografien mit. In den entlegensten Winkeln des Kontinents stehen dafür Fotografen bereit. Die Aufnahmen halten nicht nur die Erinnerung wach, sondern wecken erst recht die Sehnsucht nach fernen Ländern.

Bereits auf ihren Fahrten werden die Reisenden darauf eingestimmt. Die Zugabteile des Orient-Expresses, der in rund 80 Stunden vom Pariser Gare de l’Est nach Konstantinopel verkehrt, sind mit edlen, tropischen Hölzern ausgestattet. Passagierschiffe bieten ihren bis zu 3.000 Fahrgästen orientalische Rauchersalons, die auch in Mannheimer Villen Nachahmung finden. Als letzter Schrei der High Society gelten exotische Kostümfeste im Stil der legendären „Ballets Russes“. Federngeschmückte Turbane und phantasievolle Gewänder in farbenfrohen Stoffen dominieren die Mode. Die Voraussetzungen dazu liefern größtenteils die Anilinfarben der BASF.

Digitale Angebote

Zur Ausstellung „Belle Époque“ bietet die Video-Kuratorentour eine interessante Einführungen in die einzelnen Themenbereiche. Blog-Beiträge ergänzen das Angebot.

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