Weltkulturen

Die Sammlungen der Abteilung „Weltkulturen und Naturkunde“ der Reiss-Engelhorn-Museen gehen letztlich auf die Sammelleidenschaft des Kurfürsten Carl Theodor von der Pfalz (1724 – 1799) zurück. Bereits 1837 füllten die völkerkundlichen, archäologischen und naturhistorischen Bestände sieben Säle des kurfürstlichen Schlosses. Bürgerschaftliches Engagement, Schenkungen und Spenden ließen die Zeugnisse der Kulturen aller Erdteile bis heute stetig in Qualität und Anzahl wachsen.

Mit dem Ankauf der bedeutenden Sammlung Gabriel von Max im Jahre 1917 hatten die stetig gewachsenen Bestände völker- und naturkundlicher Objekte überregionale Bedeutung erlangt. Weitere Schenkungen und gezielte Anküufe erweiterten in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts den Bestand. Ergänzt wurden die Sammlungen 1935 durch einen staatlichen Ringtausch badischer Museen, wodurch das Mannheimer Museum Objekte aus dem Landesmuseum in Karlsruhe erhielt. 

Die Sammlung „Weltkulturen“ der Reiss-Engelhorn-Museen verfügt heute über nahezu 40.000 ethnographische Exponate aus fünf Kontinenten. Die Afrika-Sammlung umfasst rund 11.800 Objekte. Auf Ozeanien / Südsee entfallen rund 8.000, auf Asien 10.300 und auf Amerika 7.600 Objekte. Auch europäische Kulturgüter sind mit ca. 300 Objekten vertreten. Heutzutage steht die Frage nach der Herkunft der Objekte im Fokus der Aufmerksamkeit. Die Reiss-Engelhorn-Museen sind sich der Verantwortung für die Klärung gerade kolonialer Provenienzen bewusst und legen den Schwerpunkt der Sammlungsforschung auf diesen Aspekt.

Die Sammlung „Weltkulturen“ ist derzeit nicht ausgestellt und wird im Depot aufbewahrt. Eine Neupräsentation soll erst erfolgen, wenn die Sammlung hinsichtlich Kolonialzeit und Provenienz sowie im Austausch mit Herkunftsgesellschaften aufbereitet ist.

Mehr über den Umgang mit kolonialzeitlichen Sammlungen in den Reiss-Engelhorn-Museen erfahren

Afrika

Reiche Bestände der Sammlung zeugen von der Geschichte der Königtümer Afrikas. Sie stammen aus den Regionen der Länder Afrikas am Nigerbogen, dem Grasland von Kamerun und dem Äquatorialurwald. Viele seiner bedeutenden Stücke und Konvolute verdankt das Museum Weltkulturen Forschungsreisenden und Sammlern, deren Wirken bis in die Zeit Kurfürst Carl Theodors zurückreicht.

So bereiste der Geograf Franz Thorbecke in den Jahren 1907/08 sowie 1911 bis 1913 Kamerun. Er gelangte bis an den Hof von König Njoya, König der Bamum. Dessen Herrschaftsgebiet lag im Westen von Kamerun. Auf der zweiten Reise wurde Thorbecke von seiner Ehefrau Marie Pauline begleitet, einer Fotografin und Malerin. Zu den Glanzpunkten der Sammlung Thorbecke zählt die Aufsatzmaske des Herrschers Njoya.  Ein aufwändig gearbeiteter Leopardenthron ebenfalls aus Bamum wurde von Dr. Theodor Seitz, Gouverneur von Kamerun (1907 – 1910) erworben und bereichert die Bestände der Reiss-Engelhorn-Museen. 

Aus dem ehemaligen Königreich Benin in Westafrika, heute Nigeria, stammen unter anderem aufwändig gearbeitete Reliefplatten, die ursprünglich Pfeiler einer Palastanlage zierten. Sie gehören zu den wegen ihrer Provenienz problematischen Objekten der Sammlungen, da die sogenannten „Benin-Bronzen“ durch eine britische Strafexpedition in den Handel und somit an die Museen gelangten.

Eine elegante Holzschnitzarbeit eines Kranichs, eine Makonde-Skulptur in modernem Stil, repräsentiert die Vielfalt der Sammlungsstücke aus Ostafrika.

Das zum Indischen Ozean orientierte östliche Afrika mit seinen Jahrtausende alten Viehzüchterkulturen und Eisenschmiedekunst, seiner altchristlichen Hochkultur und komplexen Staatlichkeit lässt sich anhand einiger hervorragender Exponate wie zum Beispiel eines äthiopischen Christusbildes darstellen.

Seit mehreren Jahren steht vor allem die Afrika-Sammlung im Zentrum der Diskussion um Bestände aus kolonialen Kontexten. Die Erforschung der Provenienz ist uns ein wichtiges Anliegen, das nach Möglichkeit in den kommenden Jahren verstärkt umgesetzt werden kann. Wir bemühen uns fortlaufend, weitere Mittel für die Erforschung einzuwerben und arbeiten mit verschiedenen Kooperationspartnern zusammen.

Die muslimische Welt

Die muslimische Welt vom Rande des Mittelmeers bis Zentralasien und von Arabien bis zu den Ländern am Indischen Ozean  ist in den Beständen der rem in einzelnen Pretiosen vertreten. Kalligraphien auf glasierten Ziegeln und Steinreliefs,  Schmuck und qualitätvolle Schmiedearbeiten sowie Fayence- und Lackgefäße veranschaulichen die Vielgestaltigkeit eines Kulturraumes, der sich vom Bild abwendet und sich auf die Gestaltung heiliger Zeichen aus dem Koran richtet. Das Ornament wurde zum zentralen Thema islamischer Kunst. Abbilder von Mensch und Tier spielten eine untergeordnete Rolle. Die höfische Kunst des Iran war jedoch hier nicht so zurückhaltend wie in anderen islamischen Kulturen.  Sie orientierte sich an achämenidischen und vor allem sassanidischen Vorbildern.

Eine Fayencearbeit voller erzählerischer Details wurde in diesem Sinne im 1. Drittel des 19. Jh. im Iran gestaltet. Ein Druckstock, entstanden während des 17./18. Jh.s,  zeigt unter anderem Mohammed auf dem geflügelten Pferd Buraq. Figürliche Darstellung wird hier kunstvoll mit Kalligraphien kombiniert. Ein Höhepunkt der dekorativen, höchst filigranen Gestaltung wurde im Iran unter der Safawiden-Dynastie (1501 – 1722) erreicht. Davon zeugt kunstvoller Koraneinband. Eine aufwändig gearbeitete Tischplatte aus Ägypten zeigt das wichtigste Heiligtum der muslimischen Welt: die Kaaba in Mekka.

Die Exponate befinden sich in den Depots der Reiss-Engelhorn-Museen und werden in wechselnden Sonderausstellungen präsentiert.

Indien + Tibet

und die weltweite Verbreitung der Buddha-Bildwelt

Die indischen und tibetischen Bestände der Reiss-Engelhorn-Museen richten den Blick auf die Sakralwelt des Subkontinents. In Form von Skulpturen und Reliefs, aber auch auf textilem Material, werden Hauptgottheiten des Hinduismus dargestellt. Sie bilden Höhepunkte der Sammlung. Darstellungen des Shiva findet sich in den Beständen der Reiss-Engelhorn-Museen unter anderem auf einem Tempelrelief. Aus Indien stammt ein Temperagemälde, das die Legende Krishnas wieder gibt. Tibet hingegen ist mit vielfältigem Gelbguss, einer speziellen Messinglegierung mit einem Kupfergehalt von 56 bis 80 Prozent, vertreten. Vertretern unseres Kulturkreises muten Trompeten und Trommeln aus menschlichen Knochen befremdlich an. Lhamo, eine tibetische Göttin von furchterregender Gestalt, reitet auf einem Esel über Menschenknochen hin. Sie gilt als die Beschützerin der Lehren Buddhas. Die Gottheit ist in Form einer vergoldeten Bronzeplastik in den Beständen des Museums vertreten.

Das Bildnis der Buddha-Gestalt nimmt seinen Ausgang in der  Skulptur aus der Gandhara-Region im nordindischen Teil des Subkontinents. Die aus Schiefer gearbeitete, stehende Figur eines  Bodhisattva Maitreya im Gandhara-Stil, der Kopf einer Bodhisattva-Skulptur aus Thailand und eine Lack-überzogene Holzfigur des Buddha aus Japan stehen für die Verbreitung der figürlichen Darstellung des Buddha. 

Die Exponate befinden sich in den Depots der Reiss-Engelhorn-Museen und werden in wechselnden Sonderausstellungen präsentiert.

China + Japan

Schon aus dem 3./2. Jahrtausend v. Chr. findet sich Keramik aus China in den Reiss-Engelhorn-Museen. Ausgehend davon lässt sich anhand der Bestände der Sammlung die Entwicklung der Keramik bis hin zu den Porzellanen in der Qing-Dynastie verfolgen.  Im 17. Jahrhundert gelang es den südchinesischen Töpfern, bunt bemalte Porzellane zu entwickeln.

Ein von klaren Formen geprägter Doppelhenkel-Becher aus Nordwestchina reicht zurück bis in die Zeit um 2000 v. Chr. Als Grabbeigabe war die bemalte Keramik eines kräftigen Reitpferds gedacht. Sie stammt aus dem 3./4. Jh. n. Chr. Das Deckelgefäß aus Porzellan datiert in die Qing-Dynastie, die mit der Errichtung der Republik China am 1. Januar 1912 endete. 

Im religiösen Bereich blieb China der Buddhismus im Grunde fremd. Er brachte zwar die Blüte der Kultur in der Tang- und Sung-Dynastie (619 – 907 n. Chr. und 960 – 1279 n. Chr.) hervor, doch danach ging sein Einfluss zurück. Einzelne Figuren wie der „Dickbauchbuddha“ Milefo fanden Eingang in die Volksreligion. Das Streicheln des Bauches der freundlichen Gestalt versprach Glück. In unseren Beständen ist er durch eine lackierte Holzskulptur aus dem 17. – 18. Jahrhundert vertreten. Auch in Japan sind die glücksbringenden Eigenschaften des „Dickbauchbuddha“ bekannt.

Die Japan-Bestände der Sammlung Kulturen der Welt haben ihren Schwerpunkt in der Edo-Zeit des 18. und 19. Jh.s. Sie sind vertreten durch imponierende Samurai-Rüstungen und Netsuke – Gürtelknöpfe – von feinster Qualität. Aus dem frühen 17. Jh. stammt die filigrane Arbeit eines vergoldeten Schwertstichblatts.

Die Exponate befinden sich in den Depots der Reiss-Engelhorn-Museen und werden in wechselnden Sonderausstellungen präsentiert.

Ozeanien

Die Südseesammlung bildet nach Afrika die größte Abteilung der Sammlung. Älteste Bestände kamen durch den Ankauf der Sammlung Gabriel von Max (1917), die Übernahme 1923/24 der völkerkundlichen Objekte im Schloß und durch den Mannheimer Altertumsverein von 1859 sowie die Übernahme der Karlsruher ethnologischen Sammlung im Jahr 1935 in das Museum.  Masken, Musikinstrumente, Alltags- und Kultgeräte sind unter anderem Teil der großen Objektvielfalt der Südseesammlung. Vasco Nunez de Balboa prägte den Begriff der Südsee, als dieser die Landenge von Panama 1513 durchquert hatte und er den vor ihm liegenden Pazifik als „Mar del sur“ – Südmeer oder Südsee -  bezeichnete. Alle Bereiche südlich des Breitengrades von Panama gehören aus geografischer Sicht zur Südsee. Der Begriff wird häufig mit Ozeanien gleichgesetzt

Aus einem mächtigen Exemplar der Meeresschnecke Tritonium variegatam wurde eine  Schneckentrompete gefertigt.  Das Reibholz ist Zeugnis einer Vielfalt außergewöhnlicher Musikinstrumente von reichem Formenschatz, die sich in Ozeanien finden.

Aus Neu-Britannien stammt ein aufwändig aus unterschiedlichen Materialien gearbeiteter, imposanter Tanzaufsatz, der den Körper vom Kopf bis über die Knie bedeckte.

Die Südlichen Cook-Inseln erhielten ihren Namen durch deren Entdecker Kaptain Cook im Jahr 1777. Kultbeile wie jenes aus den Beständen der Sammlung Kulturen der Welt wurden den Europäern erst lange nach ihrer Entdeckung bekannt.

Die Exponate befinden sich in den Depots der Reiss-Engelhorn-Museen und werden in wechselnden Sonderausstellungen präsentiert.

Amerika

In der Abteilung Kulturen der Welt sind die Amerika-Bestände weniger umfangreich, dazu gehören jedoch einige Spitzenstücke. Nordamerika ist ebenso vertreten wie Mesoamerika und der zentrale Andenraum Südamerikas. Masken und Textilien, prachtvolle Steinskulpturen und bemalte Keramik sind Teil der Sammlung. Dazu Objekte, welche beim rituellen Ballspiel zu Ehren der Götter Gebrauch fanden, aber auch Knochenflöten aus Peru und sogar Mumien aus dem Andenraum.  Der Ankauf der Sammlung Gabriel von Max (1917) bereicherte die Amerikasammlung. 2009 gewannen die Bestände eine neue Qualität durch die großzügige Schenkung einer altamerikanischen Musikinstrumentensammlung durch Evamaria und Dieter Freudenberg, die größte ihrer Art außerhalb des amerikanischen Kontinents.

Von der Nordwestküste Nordamerikas stammt eine Tanzmaske, die im Frühjahrszeremoniell der Kwakiutl getragen wurde. Die Kwakiutl bezeichneten ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Gruppe von Indianerstämmen, welche im Norden des kanadischen Vancouver Island lebten. Ein Ledermantel der Cree-Indianer und Indianerschuhe der Plains zählen zu den seltenen textilen Sammlungsstücken.

Ausdrucksstarke Steinskulpturen der Azteken stammen aus dem zentralen Hochland Mexikos.  Sie datieren in die Mitte des letzten Jahrtausends und stellen mit großer Eindringlichkeit Gottheiten dar. Nicht minder ausdrucksstark ist die Bemalung einer Doppelausgusskanne, welche ein mythisches Tier-Mensch-Wesen zeigt. Vermutlich aus Lama-Knochen wurden zwei Kerbflöten gefertigt, die beschnitzt und mit Branddekor verziert wurden. Die Hacha, eine Art Steinkopf am Gürtel, sollte beim mesoamerikanischen Ballspiel den Spieler schützen. Eine Frauenmumie mit zwei Kindern aus Peru gelangte durch die Sammlung Gabriel von Max an die Reiss-Engelhorn-Museen.

Die Exponate befinden sich in den Depots der Reiss-Engelhorn-Museen und werden in wechselnden Sonderausstellungen präsentiert.