Der Teppich von Bayeux

Politische Intrigen, Schlachtengetümmel und einzigartige Details, die viel über das Mittelalter verraten – all das findet sich auf dem sogenannten „Teppich von Bayeux“. Er ist eine Ikone des Mittelalters, ein Comic und seit Jahrhunderten ein Forschungsgegenstand. Und auch für unsere Normannen-Ausstellung ist er eine wichtige Quelle.

In der Französischen Revolution entging der Teppich von Bayeux nur knapp der Zerstörung, Napoleon stellte die Stickerei in Paris aus und nutzte sie als anti-britische Propaganda und während des Zweiten Weltkriegs planten die Nazis die Überführung des Teppichs nach Berlin, was allerdings verhindert werden konnte. Bis heute inspiriert der Teppich Künstler, Karikaturisten und Grafiker.

Der fast 950 Jahre alte „Teppich“ ist eigentlich eine Stickerei auf Leinen, die aus verschiedenen Stücken zusammengesetzt ist und eine fortlaufende Geschichte erzählt: die Eroberung Englands durch die Normannen im Jahr 1066 und ihrer Vorgeschichte. Noch heute gilt 1066 als einschneidendes Jahr in der europäischen Geschichte und es werden viele Aspekte des mittelalterlichen Lebens mit einzelnen Szenen der Erzählung des Teppichs illustriert.

Weltkulturerbe

Es ist allerdings nicht nur die erzählte Geschichte, die den Teppich von Bayeux so einzigartig macht, sondern auch sein Detailreichtum und die Kunstfertigkeit, mit der er hergestellt wurde. Er ist ein echtes Kunstwerk und es gibt nichts Vergleichbares, das die Zeit so scheinbar unversehrt überdauert hat.

Die Darstellungen verraten außerdem viel über das alltägliche Leben, Handwerk, Schiffbau und Bewaffnung im Mittelalter. Allein das macht den Teppich zu einem wichtigen Kulturerbe der Menschheit. 2007 wurde der Teppich von Bayeux als Weltdokumentenerbe in die Liste der UNESCO aufgenommen und bereits 1982 erhielt er ein eigenes Museum, das sozusagen um den Teppich herumgebaut wurde und jährlich 400.000 Besucher anzieht – viele übrigens auch aus England. Dass es ein eigenes Museum für seine Präsentation braucht, liegt nicht zuletzt an seinen außergewöhnlichen Maßen.

Zahlen und Fakten

Der Teppich ist fast 70 m lang und 50 cm hoch. Er wurde um 1077 vermutlich im Auftrag des Bischofs von Bayeux, einem Halbbruder Wilhelms des Eroberers, angefertigt. Mindestens 45 kg Wolle wurde verarbeitet. 626 Personen – nur 6 davon Frauen (!) –, 202 Pferde und Maultiere, immerhin 55 Hunde und 505 weitere Tiere aller Art sind mithilfe der Stickereien dargestellt; außerdem 37 Gebäude und Festungen sowie 41 Schiffe.

Wie ein Comic ist auch der Teppich mit kurzen Beschriftungen in lateinischer Sprache versehen, welche die Geschehnisse erläutern und kommentieren. Aus Berichten wissen wir, dass der Teppich regelmäßig öffentlich ausgestellt wurde. In einem Inventar der Kathedrale von Bayeux von 1476 ist der Teppich aufgeführt und es wird erwähnt, dass er jährlich für eine Woche in der Kirche zu sehen war. Danach verliert sich seine Spur allerdings für rund 300 Jahre.

Ein fragiles Kunstwerk

2024 soll der Teppich von Bayeux in ein neues Museum umziehen, das den Bedürfnissen entspricht, die ein so altes, schwieriges und fragiles Kunstwerk an seine dauerhafte Bewahrung stellt. Man kann ihn nicht einfach zusammenklappen oder -rollen und von A nach B transportieren. Jede Veränderung muss lange im Voraus geplant werden und das Artefakt muss von hoch spezialisierten Restauratoren überwacht und für die Zukunft bewahrt werden.

Eine sorgfältige Untersuchung im Jahr 2021 hat die Fragilität des Textils gezeigt – von 24.204 Flecken, 16.445 Falten, 30 Rissen und 9.646 Lücken ist die Rede – und einen extrem hohen Restaurierungsbedarf ergeben. Dieser war sogar noch größer, als die Restauratoren vorher angenommen hatten. Die Sicherung und Stabilisierung ist eine Mammutaufgabe, die es in den kommenden Jahren zu bewältigen gilt, wobei bislang niemand genau sagen kann, wo eine solche Restaurierung überhaupt durchgeführt werden kann.

Wegen seiner Fragilität und Größe geht der Teppich grundsätzlich nicht auf Reisen. Allerdings ist er hervorragend dokumentiert und bietet auch aus der Ferne eine unschätzbare Quelle für die Forschung und unser Normannen-Projekt. An verschiedenen Stellen werden die Erkenntnisse ab Herbst 2022 in der Mannheimer Präsentation aufgegriffen.

Fun facts

Der Wandteppich verfügt durchgehend über Bordüren, in die zahlreiche kleine Szenen eingestickt sind, die keinen direkten Bezug zur Erzählung des Teppichs haben. Dazu zählen beispielsweise Darstellungen aus Äsops Fabeln, aber auch einige nackte Personen. Das war den für ihre Prüderie bekannten Viktorianern ein Dorn im Auge. Als im 19. Jahrhundert eine Kopie des Teppichs für England angefertigt wurde, verpasste man den Nackten daher Gewänder.

Was viele ebenfalls nicht wissen: der Teppich von Bayeux wurde nicht in Frankreich angefertigt, sondern in England. Dennoch blieb die Stickerei bisher auf dem Kontinent. Großbritannien hatte 1953 versucht, den Teppich anlässlich der Krönung Elisabeths II. auszuleihen. Dieses Ansinnen wurde allerdings umgehend und einhellig abgelehnt und es steht in den Sternen, ob das Versprechen des französischen Präsidenten, eine Ausleihe an England doch zu ermöglichen, überhaupt realisiert werden kann.

Apropos Sterne….1066 war auch der Halleysche Komet wieder einmal in Europa zu sehen und sorgte für große Unruhe und Unheilserwartung. Eine Abbildung des Kometen findet sich auch auf dem Teppich von Bayeux.

Neugierig geworden?

Die Normannen setzen Kurs auf Mannheim. Die Sonderausstellung ist vom 18.9.2022 bis 26.2.2023 zu sehen. Erfahren Sie mehr: www.normannen-ausstellung.de

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Der Teppich von Bayeux hat bis heute nichts von seiner Faszination verloren. Lesen Sie dazu den Blog-Beitrag Mittelalter trifft Popkultur