Die bunte Pracht der Glasperlen

Im 6. und 7. Jahrhundert waren Perlen aus Glas ein beliebter Schmuck. Sie wurden in den unterschiedlichsten Formen sowie Farben hergestellt und unterlagen dem jeweiligen Modegeschmack. Auch Importe aus fernen Gegenden kamen bei archäologischen Grabungen in der Rhein-Neckar-Region zum Vorschein. 2022 haben die Vereinten Nationen zum Internationalen Jahr des Glases ausgerufen. Wie facettenreich das Material ist, beweisen wir auch in diesem Blog.

Die Perlenmacher des frühen Mittelalters nutzten die Eigenschaften von Glas voll aus und schufen eine Vielfalt an kleinen und großen Perlen – kugelige, tonnenförmige, würfelförmige, lange und kurze zylindrische oder prismenförmige. Ein paar Glasperlen besaß fast jede Frau. Im frühen 6. Jahrhundert trugen sie die Perlen an einem Strang, der von der Schulter oder von einer am Obergewand befestigten Fibel herabhing. Kleine Perlen bevorzugten Frauen zu allen Zeiten für die eng um den Hals liegende Kette. Als die Perlen größer wurden, kamen lange Ketten in Mode. Besonders umfangreich war das Perlenangebot in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts. So manche Hofherrin trug dann einen mehrreihigen Perlenschmuck und fügte auch ihrem Gürtelgehänge ein paar Prunkperlen hinzu.

Herstellung der Glasperlen

Im 6. und 7. Jahrhundert wurde Rohglas bei 1000 bis 1100° C aus einem Gemisch von Quarzsand, 16–19% Soda und 6–9% Kalk nach bewährtem römischem Rezept hergestellt. Durch Verunreinigungen im Sand erhielt das Glas eine leichte gelbliche, grünliche oder bläuliche Tönung. Rohglas wurde zur Weiterverarbeitung an die Glasbläser in den Glashütten und die Perlenmacher in ihre Werkstätten geliefert. Für eine Perle wurde üblicherweise ein aus der Schmelze gezogener Glasfaden um einen Eisenstab gewickelt. Aber auch geblasene, langgezogene Glasröhrchen wurden zu Perlen zerteilt. Perlen aus durchscheinendem Glas waren jedoch nur im 5. und frühen 6. Jahrhundert modisch. Danach kommen sie immer seltener vor.

Farbenpracht

Farbloses durchscheinendes Glas lässt sich beim Wiedereinschmelzen durch Zufügen von Metalloxiden färben, dabei wird die Glasmasse opak, bis auf wenige Ausnahmen wie das schon in römischer Zeit beliebte durchscheinende Kobaltblau. Oft schon wurden die zahlreichen mit Kupferoxid (Cu2O) orange und rotbraun gefärbten Perlen als „Tonperlen“ bezeichnet. Aber chemisch handelt es sich eindeutig um Glas, ein zähflüssiges Schmelzprodukt, das sich ziehen und formen lässt und ohne zu kristallisieren erstarrt.

Da sich die Farben beim Zusammenschmelzen von verschiedenfarbigen Glasdrähten nicht vermischen, ergeben sich viele Möglichkeiten zur Herstellung polychromer Perlen. Im 6. Jahrhundert waren die beliebtesten Farben Rotbraun und Gelb. Im 7. Jahrhundert ging der Trend zu kalten Farben, Weiß und Blaugrün.

Der einfachste Dekor einer um einen Stab gewickelten Perle sind drei aufgetropfte Punkte. Schichtaugen verlangten da schon mehr Geschick, es musste ja schnell gehen, sollte alles noch zusammenschmelzen. In großen Mengen wurden Perlen mit dünnen Glasfäden verziert, die spiralig oder sich kreuzend umwickelt wurden; massenhaft wurden sie auch mit zusätzlichen Punkten versehen. Zu den aus Glashütten bekannten Ziermethoden gehört das Kämmen, dabei werden aufgewickelte Fäden mit einem spitzen Eisen zu Girlanden oder ähnlichen Mustern verzogen.

Importware

Von Italien bis Nordeuropa finden sich in der Mitte des 6. Jahrhunderts große Prunkperlen aus stark bleihaltigem Reticellaglas weit verstreut. Mehrere gelbe, rotbraune und grüne Glasfäden waren zu dicken Bändern tordiert (gedreht) worden, die um einen Glaskörper liegen und ein Tannenzweigmuster zeigen. Import  aus dem mediterranen Raum waren die Millefiori-Perlen im 6. Jahrhundert. Für sie wurden opak rote, gelbe und weiße sowie transluzid blaue (neben Gelb erscheint Blau dann grün) Glasstäbe gebündelt zusammengeschmolzen, dann zu Mosaikstückchen zerschnitten, von denen meist vier zu einer Perle zusammengefügt wurden. Die Perlen zeigen das Querschnittmuster. Oft erhielten sie Randstreifen aus einem rot überzogenen Glasband.

In der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts gab es im fränkischen Merowingerreich keine qualifizierten Perlenmacher mehr. Monochrome (einfarbige) Perlen und polychrome (bunte) mit einfachem Punktdekor bestimmten das Bild. Im späten 7. Jahrhundert endete die Perlenmode im Merowingerreich.

Neugierig geworden?

2022 ist das Internationale Jahr des Glases. Im rem-Blog widmen sich mehrere Beiträge diesem außergewöhnlichen Material. Erfahren Sie z.B. mehr zur Verwendung von Glas im alten Ägypten.

Die bunte Pracht der Perlen finden Sie in der Ausstellung Versunkene Geschichte.

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Lesetipps

  • Ursula Koch: Wilde Völker an Rhein und Neckar. Franken im frühen Mittelalter.
    Der Band ist auch an der Kasse im Museum Weltkulturen erhältlich.
  • Ursula Koch: Mannheim unter fränkischer Herrschaft. Die merowingerzeitlichen Grabfunde aus dem Stadtgebiet. In H. Probst (Hrsg.): Mannheim vor der Stadtgründung Teil I, Band 2 (Regensburg 2007) S. 10-420.