
Frauen im Handwerk
Wie hat sich die Rolle der Frau im Handwerk entwickelt? Wird das Handwerk wirklich weiblicher oder bleibt es Männersache? Eine Konditormeisterin wirft einen Blick in die Geschichte und berichtet von ihren eigenen Erfahrungen sowie den Herausforderungen als Selbstständige. Ein inspirierender Beitrag anlässlich des Internationalen Frauentags! Am 8. März ist Laura Goduti-Meurer zu Gast bei uns im Museum.

Blick in die Geschichte
„Handwerk war schon immer Männersache!“ Aber ist das wirklich so? Oder wird die Frau in der offiziellen Handwerksgeschichte aufgrund des Frauenbilds in der von Männern dominierten mittelalterlichen Gesellschaft einfach vernachlässigt? Dort galt die Frau als von Natur aus minderwertig, dem Mann körperlich und geistig unterlegen sowie zu nichts Eigenem fähig.
Tatsache ist, dass bereits seit dem 13. Jahrhundert selbstständige Handwerkerinnen, vor allem in großen Reichsstädten, nachweisbar sind und keine Ausnahme, sondern die Regel waren.
Aber warum weiß das niemand? Im Laufe des 16. Jahrhunderts wurden die Frauen aufgrund der zunehmend schlechter werdenden Lebensverhältnisse und fehlender Arbeitsbeschränkungen von ihren männlichen Kollegen aus den Zünften gedrängt. Überliefert wurden Zulassungs- und Beschäftigungseinschränkungen bis hin zu Berufsverboten. Außerdem wurden Bild- und Schriftquellen so manipuliert, dass die Frau immer stärker zum bloßen Anhängsel des Mannes wurde. Zeigte ein Bild ursprünglich den Meister und die Meisterin gleichberechtigt nebeneinander, so wurde daraus „der Meister und seine Frau“ gemacht. Der Eindruck entsteht, dass dies schon immer so gewesen sei.
So kam es, dass seit dem 17. Jahrhundert selbstständige Handwerkerinnen vollständig von der Bildfläche verschwunden sind und in Rechtsschriften sowie Zunftsbriefen die Behauptung aufgestellt wurde, dass das männliche Geschlecht die Voraussetzung zur Aufnahme in eine Zunft gewesen sei.
Erst wieder im 20. Jahrhundert – während und nach den Kriegen – kehrten die Frauen ins Handwerk zurück. Am bekanntesten sind hierbei wohl die „Trümmerfrauen“. Doch sobald wieder genug Männer zur Verfügung standen, wurden die Frauen wieder verdrängt. So kam es 1952 sogar zu einem offiziellen Verbot der Frauenarbeit im Baugewerbe.
Ab den 1970er Jahren lässt sich wieder ein Anstieg von beruflich ausgebildeten und selbstständig tätigen Frauen verzeichnen. Hierbei spielt jedoch auch eine große Rolle, dass es verheirateten Frauen erst 1977 möglich war, ohne Einverständnis ihres Mannes uneingeschränkt gewerblich tätig zu sein.
Als Fazit lässt sich also schließen, dass Frauen das Handwerk von Beginn an mitgeprägt haben. Nur ihre Rolle war aufgrund der herrschenden politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stets abhängig. Und dennoch wurden dort, wo es Freiräume und Möglichkeiten gab, diese von Frauen genutzt und aktiv ausgeweitet.
So kommt es, dass heutzutage der Gesamtanteil von Frauen im Handwerk bei etwa 15-20% liegt.
Das Handwerk wird weiblicher, oder?
In den vergangenen Jahren bildeten Frauen in den handwerklichen Belegschaften einen relativ konstanten Anteil von etwa einem Drittel. Jedoch gibt es große Unterschiede zwischen den Gewerbegruppen. Aus Statistiken des Zentralverbands des Deutschen Handwerks lässt sich entnehmen, dass junge Frauen sich häufig für eine Ausbildung im kreativen Bereich oder im Bereich der persönlichen Dienstleistungen entscheiden. Hier liegt der Anteil bei teilweise über 50%. Im Bau- und KFZ-Segment hingegen bei unter 5%.
Während ich mir diese Statistiken durchgelesen habe, kam in mir die Frage auf, ob diese Zahlen tatsächlich allein auf der persönlichen Wahl der Azubinen basieren. Denn so schön es auch klingt, dass junge Frauen ihre Kreativität, Leidenschaft oder den Umgang mit Menschen zu ihrem Beruf machen möchten, frage ich mich, wie viele Mädchen es gibt, die gerne im Bau- oder KFZ-Segment ihre Ausbildung gemacht hätten, aber diese Möglichkeit nie bekamen oder während eines Praktikums von dem Arbeitsklima abgeschreckt wurden.
Solche Gedanken teile ich tatsächlich nur ungern, da ich nicht als zu feministisch oder empfindlich wirken möchte. Ich erwische mich dabei, wie ich mich selbst dafür verurteile. Ich denke mir: „Sei nicht so. Mittlerweile herrscht doch eigentlich ein Verständnis für Gleichberechtigung und ein Bewusstsein für den Umgang mit verschiedenen Lebensformen und Geschlechtern.“
Gleichzeitig habe ich aber auch andere Erfahrungen gemacht. Pausenräume, deren Wände von Postern mit halbnackten Frauen geziert wurden. Vorgesetzte, die einem sagten, man hätte ein schönes Verkäuferlächeln und im Verkauf könnte man – im Gegensatz zur Backstube – ja auch noch arbeiten, wenn man schwanger ist. Oder: „Ein männlicher Azubi wäre uns lieber. Der kann im Zweifel die Mehlsäcke schleppen.“
Dies sind meine Erfahrungen aus dem Ausbildungsberuf des Konditors, dem derzeit beliebteste Ausbildungsberuf bei Frauen. Das von mir gewählte Handwerk ist also mittlerweile eher ein frauendominiertes Handwerk. In meinem Meisterkurs waren wir 19 . Es gab genau einen männlichen Schüler. Und dennoch konnte ich im Austausch mit den anderen feststellen, dass es einem vor allem während der Ausbildung eher wie eine Schwäche vorkommt, weiblich zu sein. Man ist im Vergleich zu emotional, körperlich zu schwach oder überreagiert.
Ich weiß noch, wie ich in meinem ersten Vorstellungsgespräch für eine Stelle als Gesellin gefragt wurde, was ich über mich sagen könne, was der Chefin in Erinnerung bleiben würde. Meine Antwort: „Ich kann all das machen, was die Aufgaben eines Mannes in der Backstube wären. Ich bin stark und komme an die hohen Regale.“ Diese Aussage bezog sich zwar nur auf die Physis, was sie aber gleichzeitig bei den meisten impliziert, ist, dass man unkompliziert ist und keine Dramen startet.
Ich würde also sagen, dass das Handwerk in vielen Bereichen weiblicher wird, jedoch das „weibliche Verhalten“ oftmals abgelegt oder verschleiert wird, um als stark und gleichwertig betrachtet zu werden.
Um Frauen im Handwerk weiter zu fördern, bräuchte es meiner Meinung nach eine Überwindung der Geschlechterklischees und ein Umdenken in Bereichen des Arbeitsklimas, der Führungskulturen und der Gestaltung von Arbeitsorganisationen. Gerade im Handwerk ist die Karriere schwer mit Familie zu vereinbaren. Man muss sich schlichtweg als Frau entscheiden, ob Karriere oder Familie. Selten lassen sich die Arbeitszeiten oder Tätigkeiten so managen, dass eine Balance entstehen könnte.

© Roman Janz (Roman Janz Photography)
Die beste Pâtisserie der Welt
Steigt man in den Zug nach Paris, erwarten einen die köstlichsten und schönsten Pâtisserien. Mit einem von uns selbst angelegten Pâtisserie-Stadtplan klappern wir die Straßen von Paris ab und suchen uns neue Inspirationen. Wir träumen davon, eines Tages so gute Macarons zu machen wie Pierre Hermé, so feine Pralinen wie Alain Ducasse oder so schöne Törtchen und Croissants wie Cédric Grolet oder Yan Couvreur.
Vielleicht haben Sie es selbst bemerkt. Meist sind die Chef-Pâtissiers männlich. Sucht man nach den besten der Welt, erscheint als erstes eine Rangliste von zehn männlichen Namen aus dem Jahr 2013. Erst zwei Ergebnisse weiter unten erscheint ein Beitrag über Nina Métayer – die beste Pâtissière der Welt 2024.
Sie ist die erste Frau, die diesen Titel erlangt hat. In einem Interview beschreibt sie die Branche als eine militärische Welt, die zugleich faszinierend und schrecklich ist und in der Frauen mehr leisten müssen als Männer, um respektiert zu werden. Zum Weinen hat sie sich im Kühlraum versteckt. Mit 29 Jahren macht sie sich selbstständig und verlässt die strengen Hierarchien.
Ich denke, es spricht für sich, dass zum ersten Mal eine Frau diesen Titel erlangt hat und so offen über ihre Erfahrungen in diesem Handwerk spricht. Für mich ist es sehr motivierend, von Frauen zu lesen und zu hören, die ihre Träume verwirklichen, sich durchsetzen können und gleichzeitig zeigen, dass es vollkommen in Ordnung ist, man selbst zu sein.

© Roman Janz (Roman Janz Photography)
Selbstständig im Handwerk
Mit Liebe und Leidenschaft für meine Arbeit und der Gewissheit, dass Familie, Freunde und meine Geschäftspartnerin einen immer unterstützen, habe ich mich letztes Jahr zur Gründung einer Pâtisserie entschieden.
Schaut man sich meinen Spotify-Jahresrückblick an, ist ein Song ganz oben: „The Man“ von Taylor Swift, denn das war tatsächlich mein Motivationslied für jeden Behördengang, Gespräche mit der Bank oder Unternehmensberatungen. In dem Lied singt sie: „Wondering if I get there quicker if I was a man.“ Und ja, diese Frage habe ich mir so oft gestellt und stelle sie mir in manchen Situationen noch immer.
Ich versuche in erster Linie immer, nach meinen Werten zu handeln. Das heißt, ich möchte freundlich, verständnisvoll und respektvoll sein, Dinge kommunikativ und gemeinsam lösen. Menschen mit meiner Art der Kunst einen schönen Moment und besondere Erinnerungen bescheren. Ich habe jedoch festgestellt, dass man als junge, selbstständige Frau mit diesem Verhalten nicht immer ernst genommen wird und man um Ziele und Anliegen zu erreichen, sein Handeln anpassen muss. Es ist also gar nicht so leicht, so zu sein, wie man ist, und gleichzeitig als seriöse Unternehmerin gesehen zu werden.

Seit der Zeit meiner Ausbildung habe ich gelernt, was ich kann, was ich liebe und wer ich bin. Vor allem durch die Selbstständigkeit lerne ich, wie wichtig es ist, auch mal Hilfe anzunehmen, dass es okay ist, einfach mal zu weinen und Gefühle zu zeigen. Und dass das ganz bestimmt keine Zeichen weiblicher Schwächen sind, sondern ganz normale menschliche Züge, die mich zu einem Individuum mit persönlichem Charakter machen.
Es kann so viel Spaß machen, eine Frau in der heutigen Zeit und in diesem Land zu sein. Wir haben so viele Freiheiten, können unsere Träume selbstbestimmt erfüllen und dabei tragen, worin wir uns wohlfühlen und lauthals zu Taylor Swift mitsingen.
Ich wünsche mir mehr weibliche Vorbilder im Handwerk und hoffe auch selbst eins sein zu können.
Neugierig geworden?
Auch auf unserer Webseite begegnen Ihnen starke Frauen – in unserer Blog-Reihe und in unseren Audio-Podcasts.
Mehr über die Pâtisserie Pastry Poets und ihre Gründerinnen