Nicolas de Pigage – Architekt des Kurfürsten Carl Theodor

Nicolas de Pigage machte am Hof des kunst- und wissenschaftsbegeisterten Kurfürsten Carl Theodor Karriere. Als Architekt und Gartendirektor setzte er zahlreiche Projekte um – vom Mannheimer Schloss über die Sommerresidenz in Benrath bis zum Schwetzinger Schlossgarten. In diesem Jahr feiern wir seinen 300. Geburtstag.

Vor 300 Jahren wurde Nicolas de Pigage (1723-1796) in der lothringischen Stadt Lunéville geboren. Französische Besatzungen und Eheverbindungen prägten das Herzogtum auch künstlerisch. Polnische Einflüsse gab es ab 1736 durch Herzog Stanislaus. Ältere Schreibweisen von Pigage wie Pigasse oder Pigach lassen wiederum eine deutsche Einwanderung der Familie vermuten. Dem Vater gelang der gesellschaftliche Aufstieg vom Maurer zum Architekten durch seine Ehefrau aus der Goldschmiedefamilie Matthieu.

Mit 20 Jahren verließ Nicolas sein Elternhaus für die Militärschule in Paris: als Ingenieursoffizier mit dem Titel Oberstleutnant widmete er sich dem Bau von Festungen, Kasernen und Stallungen. Aus dieser Zeit stammt möglicherweise seine Vorliebe für spitze Formen und bastionsartige Ausweitungen. Zwischen 1744 und 1746 besuchte er die Königliche Bauakademie, deren Mitglied er 1763 wurde. Im selben Jahr wurde er von der Hofmalerin Anna Dorothea Therbusch porträtiert. Sein Ururgroßneffe Werner von Pigage, der in der Zwischenkriegszeit in Mannheim lebte und 1959 dort starb, fertigte 1929 eine Kopie, welche sich heute im Besitz der Reiss-Engelhorn-Museen befindet.

Karriere unter Kurfürst Carl Theodor

Kurfürst Carl Theodor, der Kunst und Wissenschaft zwischen 1743 und 1777 mit enormen Summen förderte, ernannte Pigage 1749 zunächst zum Intendanten der Gärten und Wasserkünste. Sein erstes großes Projekt war der Ostflügel des Mannheimer Schlosses ab 1751. Da der äußere Bau zum Rest des Schlosses passen musste, konnte er nur die Innenräume frei gestalten, so u.a. die Bibliothek. Die Vergrößerung des Oggersheimer Schlosses wurde sein erster selbst konzipierter Bau, der jedoch schon 1794 bei der französischen Eroberung niederbrannte.

1752 wurde Pigage zum Oberbaudirektor ernannt und noch im selben Jahr entstand das Schwetzinger Schlosstheater, das älteste erhaltene Theater in Baden-Württemberg. Ab 1755 widmete er sich seinem Hauptwerk: da Carl Theodor das Schloss in Düsseldorf, der Hauptstadt seines Herzogtums Jülich-Berg, nicht passend fand, wollte er in Benrath eine Sommerresidenz errichten lassen. Diana-Skulpturen weisen sie als Jagdschloss aus, allerdings wurde sie aufgrund der Abwesenheit des Kurfürsten kaum als solches genutzt.

Generell ist Schloss Benrath eine Verbindung aus italienischer Landvilla und französischem Lustschloss. Die Silhouette erinnert an Schloss Sanssouci, das zwischen 1745 und 1747 als Sommerresidenz für Friedrich den Großen erbaut wurde und daher ein Vorbild gewesen sein könnte. Ab 1764 fungierte Pigages eigener Vater als Schlossverwalter Benraths, 1769 löste ihn sein jüngerer Sohn ab. Bildhauer des Schlosses war Peter Anton von Verschaffelt, der sich in Mannheim durch die Altäre der Jesuitenkirche, das Zeughaus und das Palais Bretzenheim verewigte. Der Siebenjährige Krieg von 1756 bis 1763 ließ sämtliche Baumaßnahmen ins Stocken geraten, sodass das Benrather Schloss erst 1771 fertiggestellt werden konnte.

Gestaltung des Schwetzinger Schlossgartens

1759 heiratete Pigage Maria Cordula Pimpel, eine Kammerfrau der Kurfürstin Elisabeth Auguste. Die Ehe endete kinderlos mit dem Tod seiner Frau im Jahre 1794, doch sie demonstriert seine Nähe zum Kurfürsten. 1762 ernannte dieser Pigage zusätzlich zum Gartendirektor, wonach er ein stolzes Jahresgehalt von 2.000 Gulden bezog. Da der Kurfürst beschlossen hatte, das Schwetzinger Schloss an sich kaum zu verändern, blieb als Projekt nur die Gestaltung des Gartens: die sich wandelnde Mode Ende der 1760er Jahre beeinflusste dessen Außenbezirke, die im Stil englischer Gärten natürlich gehalten wurden im Gegensatz zum sogenannten französischen Garten, der die Symmetrie betont. Schloss Benrath hat ebenfalls sowohl einen englischen als auch einen französischen Garten, jeweils dem Kurfürsten und der Kurfürstin zugeordnet. Für die Einrichtung der dortigen Wasserspiele ließ Pigage 1760 sogar die Itter, einen Nebenfluss des Rheins, umleiten.

Nach einer Italienreise im Winter 1767/68 wurde er gemeinsam mit seinem Vater von Kaiser Joseph II. in den erblichen Reichsadelsstand erhoben. Im selben Jahr begann er mit dem Bau eines intimen Rückzugsortes für den Kurfürsten – des Schwetzinger Badhauses – wobei er sich neben dem Großen Trianon im Schlosspark Versailles und englischen Landsitzen auch von venezianischen Villen inspirieren ließ. Nach dessen Fertigstellung 1772 widmete er sich dem Speyerer Tor in Frankenthal und dem Karlstor in Heidelberg, beide triumphbogenartig, letzteres zu Ehren Carl Theodors. Dieser wurde gemäß wittelsbachischem Erbvertrag der Nachfolger des bayerischen Kurfürsten, der Silvester 1777 kinderlos verstarb. Infolge dieser Herrschaftsübernahme verlegte Carl Theodor seine Residenz von Mannheim nach München.

Pigages letztes großes Projekt wurde die Errichtung der sogenannten Roten Moschee von 1779 bis 1795. Mit etwa 120.000 Gulden ist sie das teuerste Bauwerk im Schwetzinger Schlossgarten. Im Geist der Aufklärung steht sie für Toleranz gegenüber fremder Kulturen und Religionen. Sie ist auch ein gutes Beispiel für das Leitmotiv von Pigages Werk: auf die Spitze gestellte Quadrate. Allgemein prägte ihn eine formale Fantasie und eine zierliche Strenge. Die Stilrichtungen seiner Zeit waren das Rokoko, benannt nach dem französischen Begriff Rocaille für Muschelwerk, und der beginnende Klassizismus, in dem man sich von der Antike inspirieren ließ – ein Beispiel wäre die Reitbahn auf Schloss Benrath.

Pigage bezog ein selbst gebautes Haus in B1,10 mit zusätzlichen Dienstwohnungen im Mannheimer Schloss und im Schwetzinger Gesandtenhaus (heute Amtsgericht), wo er am 30. Juli 1796 in Gegenwart seines Bruders und Erben starb. Sein Tod und der des Kurfürsten drei Jahre später stehen für das Ende der Kurpfalz: die linksrheinischen Gebiete fielen 1798 an Frankreich, die rechtsrheinischen 1803 im sogenannten Reichsdeputationshauptschluss an Baden. Dieser war das letzte grundlegende Gesetz des Heiligen Römischen Reiches vor dessen offizieller Auflösung 1806.

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