Lieblingsobjekte in der Normannen-Ausstellung

Noch bis 26. Februar sind die Schätze der Normannen im Museum Zeughaus zu bestaunen. Die rund 300 hochkarätigen Exponate sind genauso weit gereist wie die Normannen selbst. Gezeigt werden u.a. einzigartige Handschriften, seltene Textilien, Kunsthandwerk aus Gold und Elfenbein, Schmuck und Waffen. Bei dieser Fülle fällt die Wahl des persönlichen Lieblingsobjekts natürlich schwer. Das Kuratorinnen-Team stellt Exponate vor, die ihnen besonders ans Herz gewachsen sind.

Eigentlich ist es für jede der Kuratorinnen natürlich fast unmöglich, sich auf ein Lieblingsobjekt festzulegen – insbesondere, wenn es sich um eine Ausstellung wie „Die Normannen“ handelt, die so viele Schätze bereithält, die nicht nur das Herz von Experten höherschlagen lassen. Für diesen Blog-Beitrag haben wir es dennoch versucht. Wir präsentieren einige unserer ganz besonderen „Lieblinge“ und erläutern, warum sie für uns eine so große Bedeutung haben.

Franziskas Lieblingsobjekt

Als Archäologin wird mir oft die Frage gestellt, welche großen Schätze ich schon gefunden habe. Dabei sind es für uns Archäologen meist die unscheinbaren Objekte, die eine ganz besondere Strahlkraft haben – wie diese Keramikscherbe einer Amphore, die eine Geschichte von Mobilität erzählt. Gefertigt wurde sie am Mittelmeer und war ursprünglich vermutlich mit Wein gefüllt. Gefunden wurde die Scherbe aber im schwedischen Sigtuna. Sie bezeugt die schon damals weitreichenden Handelsbeziehungen zwischen den beiden Regionen.

Auf ihr eingeritzt sind zunächst merkwürdig anmutende Linien zu erkennen, die sich als Zweizack deuten lassen. Und damit hat es diese Scherbe in sich! Sie gelangte nicht nur um die halbe Welt, sondern befand sich zwischenzeitlich wohl auch im Gebiet der Kiewer Rus‘. Das Zweizacksymbol ist nämlich das Symbol der Rurikiden, der Herrscherdynastie im mittelalterlichen Kiew. Der Überlieferung nach kamen Rurik und seine Männer aus Skandinavien. Tatsächlich findet sich das Rurikidensymbol noch heute im Wappen der Ukraine. Damit ist diese kleine, unscheinbare Scherbe ein wahrer Schatz an Informationen, auch ohne Gold und Prunk.

Rias Lieblingsobjekt

Als Frankreichexpertin des Kuratorinnen-Teams stammt mein Lieblingsobjekt selbstverständlich aus der Normandie. Doch nicht nur goldene Schätze wie das mit Edelsteinen besetzte Kreuz von Valasse haben es mir angetan, sondern auch ein Alltagsgegenstand ist mir ans Herz gewachsen: eine rustikale Holztruhe, die ca. 40 kg wiegt. Dem Holz sieht man sein Alter an, denn es stammt aus dem 13. Jahrhundert. Das Besondere an der Truhe ist nicht sein äußeres Erscheinungsbild, sondern der wertvolle Schatz, der jahrhundertelang in ihrem Inneren gelagert wurde: der berühmte Teppich von Bayeux.

Anders als heute war der Teppich im Mittelalter der Öffentlichkeit nicht frei zugänglich, sondern wurde nur einmal im Jahr hervorgeholt und in der Kathedrale von Bayeux präsentiert. Den Rest der Zeit verbrachte er sicher verschlossen und geschützt vor neugierigen Blicken in dieser Holztruhe im Kathedralschatz. Der Originalteppich kann nicht ausgeliehen werden, doch durch diplomatische Überzeugungsarbeit gelang es uns, die Aufbewahrungstruhe – und damit die Strahlkraft des Teppichs – nach Mannheim zu holen.

Violas Lieblingsobjekt (des Tages)

Mein Lieblingsobjekt ist die sogenannte Altarttafel der Erzengel aus Barcelona. Sie besticht nicht nur durch ihre Ästhetik und Farbigkeit, sondern auch dadurch, dass sie in unnachahmlicher Weise einen Aspekt der normannischen Vernetzung symbolisiert. Die Tafel zeigt die Erzengel Raffael, Gabriel und Michael, der in gleich zwei Szenen dargestellt ist: als Kämpfer und als Seelenrichter. Eine weitere Szene fällt etwas aus dem Rahmen. Sie zeigt die Legende des Gargano und das wundersame Ereignis, das zur Gründung des bedeutendsten Michaelsheiligtums im Westen führte.

Dieses befindet sich in Monte Sant’Angelo (wörtlich Engelsberg) auf dem Monte Gargano in Süditalien. Dieser Ort war für die Normannen sehr wichtig und schon um das Jahr 1000 pilgerten sie aus der Normandie dorthin. Sie hatten eine Affinität zum Hl. Michael, dem Kriegerengel, aber entscheidend war vor allem auch die historische Verbindung zwischen dem süditalienischen Heiligtum und dem Mont-Saint-Michel in der Normandie. Dieses bedeutende Pilgerzentrum und noch heute Wahrzeichen der Region war nämlich nach dem Vorbild von Monte Sant’Angelo gebaut worden. All dies spiegelt sich in der wunderbaren Altartafel aus Katalonien, wohin ebenfalls zahlreiche Normannen ihren Weg fanden.

Giulias Lieblingsobjekt

Mein Lieblingsstück ist die Platte von Aversa. Warum? Weil man an diesem Stück ganz deutlich erkennen kann, dass die Normannen ihr skandinavisches Erbe auch mit nach Italien brachten. Die Platte wurde im Fußboden der Kathedrale von Aversa, der ersten Herrschaft der Normannen in Süditalien, gefunden. Ursprünglich war sie Teil eines Kirchenportals. Obwohl die symbolische Bedeutung der Szene gut zu entschlüsseln ist – der Sieg des Guten über das Böse –, entzieht sich die bildliche Darstellung jedem Vergleich mit Vorbildern der christlichen Tradition.

Die Platte zeigt nämlich einen mythischen Erzählbogen. Im unteren Bereich ist ein halbnackter Ritter im Profil zu sehen, der mit seinem Schwert einen Drachen durchbohrt. Der Mann wird mit Sigurd aus der skandinavischen Saga-Tradition oder mit Beowulf aus der angelsächsischen Literatur in Verbindung gebracht. Die Abbildung eines Drachens ist für Zeit und Region ungewöhnlich. Drachenfiguren fanden erst mit den Normannen Eingang in die süditalienische Kunst. Genau diese Vernetzung ist das, was mich an den Normannen so unglaublich fasziniert!

Pias Lieblingsobjekt

Es fiel mir gar nicht so leicht, mich für ein persönliches Lieblingsobjekt zu entscheiden – so viele Ausstellungsstücke haben es mir angetan! Vorstellen möchte ich daher das Objekt, welches mich am längsten begleitet und an dem ich mich einfach nicht sattsehen kann: der figürliche Elfenbeingriff aus Süditalien aus der Mitte des 12. Jahrhunderts. Der Griff vereint italo-normannische Einflüsse und repräsentiert einen wahren melting-pot an Kultur- und Werkstatttraditionen.

Zu sehen ist ein Fisch- oder Drachenkopf, der im weit offenen Maul und zwischen langen spitzen Zähnen eine männliche Figur mit großem Kopf, kleinem Körper und nackten Beinen gefangen hält. Der eigentliche Körper des Tieres fehlt. Unmittelbar an den Rücken des Ungeheuers angefügt ist ein weiterer bärtiger Kopf mit geflochtenem Wangenbart und ausgeprägt buschigem Schnurrbart. Dies ist auf den hier gezeigten Bildern allerdings kaum zu sehen und unterstreicht das Problem mit dreidimensionalen Objekten: sie lassen sich schwer in Bildern einfangen! Ein Grund mehr, noch bis zum 26. Februar nach Mannheim in die Reiss-Engelhorn-Museen zu kommen und die einmalige Chance zu nutzen, in der Normannen-Ausstellung dieses wunderbare Stück staunend aus verschiedenen Winkeln zu betrachten.

Neugierig geworden?

Die Kuratorinnen stellen ihre Lieblingsobjekte auch in einem Video vor.

Die Sonderausstellung „Die Normannen“ ist noch bis 26.2.2023 zu sehen. Erfahren Sie mehr: www.normannen-ausstellung.de

Von Audio-Podcasts über Filme bis zum Normannen-Quiz – entdecken Sie unsere digitalen Angebote zur Normannen-Ausstellung.

Sie wollen die Normannen-Schätze mit nach Hause nehmen? Alle Exponate der Ausstellung finden Sie auch im Katlog, der im Verlag Schnell und Steiner erschienen ist. An der Museumskasse gibt es ihn zum Vorzugspreis von 34,95 Euro.