Erinnerungen an Queen Elizabeth II.
Queen Elizabeth II. ist tot. Großbritannien und die Welt nehmen Abschied. Aus diesem Anlass erinnern wir an ihren ersten Staatsbesuch in Deutschland im Mai 1965. Der Fotograf Robert Häusser begleitete sie an mehrere Stationen in Baden-Württemberg.
Mehr als 70 Jahre lang saß Queen Elizabeth II. (21.04.1926 – 08.09.2022) auf dem Thron. Damit überholte sie sogar ihre Ur-Ur-Großmutter Queen Victoria und ist das Staatsoberhaupt mit der längsten Regentschaft in der Geschichte der britischen Krone.
Der Sarg der verstorbenen Monarchin wird vier Tage lang in der Westminster Hall aufgebahrt. Kilometerlange Schlangen bilden sich, tausende Menschen legen als Trauerbekundung Blumen am Buckingham Palace, an Schloss Windsor und Schloss Balmoral in Schottland nieder, wo die 96-Jährige verstarb. Aus aller Welt werden von hochrangigen Politikerinnen und Politikern Beileidswünsche übermittelt. Nationale Baumonumente werden zu Ehren der Queen farbig angestrahlt, wie das Empire State Building, die Christus-Statue in Rio de Janeiro, der Eiffelturm, das Brandenburger Tor.
Es gibt bei aller Verehrung für die Königin auch gemischte Gefühle aus den Ländern, die unter dem Britischen Empire gelitten haben. Der Blick auf das koloniale Erbe, das andere europäische Länder genauso gut betrifft, ist bei weitem noch nicht aufgearbeitet. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Historie wird zu Recht zunehmend öffentlich diskutiert und einst geraubte Kulturschätze werden an unterjochte Völker zurückgegeben.
Erste Staatsvisite in Deutschland 1965
Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Aber als eine Lichtgestalt, ja Heilsbringerin muss die junge Königin, die damals 39 Jahr alt war, vielen Deutschen bei ihrer ersten Reise in der noch jungen Bundesrepublik Deutschland im Mai 1965 erschienen sein. Mit ihrem Ehemann Prinz Philip reiste sie elf Tage quer durch Deutschland . Neben der Bundesregierung erwarten sie acht Länderregierungen, acht Parlamentspräsidenten, 15 Stadtoberhäupter und 14 kalte Buffets. Dazu kommen Frühstücks-, Mittags- und Abendempfänge sowie Goldene Bücher in 18 Städten.
Bereits 1958 ist Bundespräsident Theodor Heuss nach London gereist, seither steht ein britischer Gegenbesuch an. In der Zwischenzeit sind bereits zwei andere ehemalige Siegermächte in Westdeutschland mit staatlichen Ehren empfangen worden: 1962 war der französische Präsident Charles de Gaulle Staatsgast in Bonn, im Jahr darauf US-Präsident John F. Kennedy.
Ein Jahr lang bereitete sich die Bundesrepublik akribisch auf den Besuch der Queen mit allen dazugehörigen Sicherheitsvorkehrungen vor. Der Staatsbesuch war der längste und teuerste, den es bis dahin in Deutschland gegeben hatte. Die Protokoll-Abteilung des Auswärtigen Amtes hat für den Queen-Besuch eine halbe Million Mark zur Verfügung gestellt. Das Fernsehen berichtete über die mehr als 3000 Kilometer lange Reise, die mit einem Sonderzug stattfand. 50 Stunden liefen live im Radio Sondersendungen. Deutschland war in einem Ausnahmezustand. Wo auch immer das junge gutaussehende Paar – wie aus einem Hollywood-Film entsprungen – auftrat, versprühte es Zauber und royalen Glanz. Eine Königin der Herzen, die bei ihrem Mammutprogramm viel Bewunderung und Euphorie bei der Presse und in der Bevölkerung hervorrief. Die Medien feierten das Ereignis als "Jahrhundertbesuch".
Der Besuch war sowohl von erheblicher politischer wie auch symbolischer Bedeutung: Der Zweite Weltkrieg lag gerade 20 Jahre zurück. Die Präsenz der Queen in Deutschland ließ sich als Geste der Versöhnung interpretieren, als Gleichstellung des einstigen Kriegsgegners. Erstmals seit 56 Jahren betrat ein britisches Staatsoberhaupt wieder deutschen Boden. Dazwischen hatten zwei Weltkriege Deutsche und Briten entzweit. Die Erwartung und Anspannung waren entsprechend groß.
Am 18. Mai 1965 ist es soweit: Auf dem Flughafen Köln/Bonn wird Elizabeth II. mit 21 Salutschüssen begrüßt. Gemeinsam mit Bundespräsident Heinrich Lübke schreitet sie die Ehrenformation des Wachbataillons der Bundeswehr ab. Neben über 1.000 Journalisten und Vertretern des diplomatischen Corps ist auch das gesamte Kabinett von Bundeskanzler Ludwig Erhard vor Ort.
Besuch in Baden-Württemberg
Dann ging die Fahrt weiter nach Schwäbisch Hall, wo das Königspaar von begeisterten Menschen im Rathaus empfangen wurde. Dort trug sich die Königin ebenfalls ins Goldene Buch ein.
Robert Häussers besondere Bildreportage
Robert Häussers Bildreportage über den Besuch der Queen Elizabeth II. zeichnet ihn als hervorragenden Bildjournalisten aus. Die Konzentration auf die besonderen Aktionen, die Fähigkeit, den richtigen Moment und die Stimmung um das Königspaar herum mit der Kamera einzufangen, machen die Aufnahmen zu etwas ganz Besonderem. Ein historischer Augenblick wurde festgehalten, der in der Rückschau von Politikwissenschaftlern als „Jahrhundertbesuch" angesehen wird. Häusser schafft es, aus verschiedenen Blickwinkeln, nah oder fern, frontal, seitlich oder aus einem erhöhten Standpunkt heraus, die Königin wie auch den Umraum zu dokumentieren. Nicht allein der Fokus auf die Hauptakteure wird festgehalten, sondern auch die Menschenmenge, die wie auf eine Fatima-Erscheinung gebannt schaut.
Erstaunlich ist, dass damals die Reporter und auch die Fotografen sehr nah an der Königin waren, wie dies auf dem Foto zu sehen ist, besonders als der Mercedes mit dem Königspaar im Innenhof des Stuttgarter Schlosses ankommt und von Pressevertretern umringt wird. Dies wäre heute aus Angst vor Attentate nicht mehr in dieser Weise möglich, und somit verraten auch diese Fotos ein Stück Mediengeschichte. Ohne die Möglichkeit eine perfekte Studienbeleuchtung einzurichten, muss Häusser mit dem vorhandenen Licht Vorlieb nehmen. Und dennoch gelingt ihm trotz schwieriger Lichtverhältnisse ein außerordentlich schönes Porträt der Queen in Nahansicht. Sie wirkt im Ausdruck unverstellt, gelöst, würdevoll.
Neugierig geworden?
Weiter Aufnahmen vom Besuch der Queen 1965 finden Sie in unserer Bildergalerie
Mehr über Robert Häusser und sein Werk erfahren Sie auf den Seiten des Forums Internationale Photographie.