Weihnachten um 1900

Keine andere Zeit im Jahr ist so stark von traditionellen Bräuchen geprägt wie die Weihnachtszeit. Einen Höhepunkt bildet der reichlich geschmückte Tannenbaum, der in den kalten Dezembertagen die Wohnzimmer beleuchtet und wohligen Duft verbreitet. Unsere Sonderausstellung „Kinderträume“ entführt Sie ab Dezember in die Weihnachtszeit um 1900. Viele liebgewordene Traditionen haben hier ihren Ursprung.

Vom Heiligen Nikolaus zum Weihnachtsmann

Bedeuteten Heiligabend und Weihnachten bis um 1800 vor allem Kirchgang und Andacht, änderte sich das im Zuge der Industrialisierung. Parallel mit der Entwicklung in Handel und Industrie wandelte sich die Familie hin zur Kleinfamilie. Diese neue Situation brachte zunächst in den Städten neue Praktiken des Begehens von Feiertagen und des Schenkens hervor. Die Bescherung verlagerte sich als wesentlicher Bestandteil der bürgerlichen Weihnacht vom Nikolaustag auf den Heiligen Abend. Gleichsam profanierte sich die Aufmachung des Gabenbringers.

Der bischöflich gekleidete Nikolaus wurde zum Weihnachtsmann, dessen Aussehen als überkonfessionelle Weiterentwicklung des Nikolaus beschrieben werden kann. Seine rotweiße Kleidung darf als Relikt des Pontifikalgewandes des Heiligen betrachtet werden – und ist durchaus keine Erfindung des Coca-Cola Konzerns, dessen Zeichner 1931 für ein Werbeplakat den Weihnachtsmann in ebensolch farbiger Kleidung wiedergab.

Um 1900 hatte sich der Weihnachtsmann als Gabenbringer neben dem Christkind fest etabliert. Die Verlagerung des Geschenkfestes von Nikolaus auf Weihnachten zeigt anschaulich eine 1913 geschriebene Karte. Ein Junge und ein Mädchen beobachten heimlich hinter einem Vorhang den Weihnachtsmann, der vor einem festlich erleuchteten Tannenbaum steht. Dieser, ein gutmütig aussehender, bärtiger Mann im roten Gewand, packt gerade einige Geschenke aus seiner Kiepe auf den Gabentisch. Von einer züchtigenden Rute keine Spur und in dem am Boden abgelegten Sack befinden sich keine bösen Kinder, sondern weitere Gaben.

Oh Tannenbaum – der Weg zum reich geschmückten Weihnachtsbaum

Tannenbaum und Tannengrün sind nicht wegzudenken aus der Weihnachtszeit und selbst in Miniatur in Puppenstuben zu finden. Diese Sitte hat weit zurückreichende Wurzeln, wichtig war zunächst das Immergrüne des Baumes. Ob Tanne, Fichte, Kiefer oder Eibe, die grünen Zweige mit ihren spitzen Nadeln dienten in Haus und Stall aufgehängt zur Abwehr allen Unheils. Später übernahmen Tannenbäume diese Funktion. Doch erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verbreitete sich der Tannenbaum in Form des reich geschmückten Weihnachtsbaums als Mittelpunkt der Bescherung im Bürgertum.

Mit der Ausbreitung des Weihnachtsbaumbrauchs beginnt die Geschichte des Christbaumschmucks. Dieser wandelte sich mehrfach im Laufe der Zeit. Selbstgebasteltes aus Papier eroberte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts seinen festen Platz an den grünen Nadelzweigen der Festbäume. Neben essbarer Dekoration (Äpfel, Nüsse, Zuckerwerk) trat zunehmend Schmuck aus Glas. Lauscha in Thüringen gilt als Wiege der dünnwandigen Glaskugeln. Der Bau einer Gasanstalt und eines Gasleitungsnetzes 1857 ermöglichte hier die Heimarbeit an der heißen Flamme. Gläserne Kugeln und anderer Baumschmuck ließen sich nun massenweise herstellen.

Günstiger als Glaszierrat war der Baumschmuck aus Watte, den es erstmals im späten 19. Jahrhundert aus Sachsen und Thüringen gab. Dieser konnte ohne den Einsatz aufwändiger Maschinen durch Frauen und Kinder in Heimarbeit hergestellt werden. Die Watte erhielt durch Pressen und Wickeln ihre Form, Einzelteile wurden zusammengeklebt und mit Flitter beklebt. Vollplastische oder als Relief gegossene Engel aus Wachs ließen sich an der Wende zum 20. Jahrhundert in den Bäumen bürgerlicher Familien nieder.

Ende des 19. Jahrhunderts wurden christliche Motive als Baumschmuck zunehmend verkitscht. Gold und Flitter verdrängten zudem Äpfel und selbstgemachten Schmuck. Waren die Bäume der Gründerzeitjahre üppig bunt geziert, setzte sich ab 1900 eine neue Ästhetik durch. Erstmals wurde über „richtige“ und „falsche“ Baumdekoration diskutiert – als Reaktion auf den überladenen Tannenbaum aus dem Ende des 19. Jahrhunderts. Weniger Schmuck erhielt nun den Vorzug, zudem sollte er in Verbindung mit dem Nadelbaum stehen: Der winterliche, weiß-glänzende Baum war geboren. Weiße Kerzen, Eiszapfen, Schneeimitat, Lametta und vorwiegend verspiegelter Glasschmuck in vielerlei Formen vermittelten dieses Erscheinungsbild.

Spielen – nur an Weihnachten?

An Weihnachten bekamen die braven Kinder Spielwaren, wie sie in vielerlei Art in der Ausstellung „Kinderträume“ zu bewundern sind. Doch gekauftes Spielzeug, etwa Puppenherde oder Kaufläden, war rar und teuer. Es hatte einen besonderen Wert und wurde an jüngere Geschwister oder andere Verwandte weitervererbt. Zudem stand es meist nur über die Weihnachtszeit zum Spiel zur Verfügung. „Große Geschenke“ wie Puppenstuben, Puppenküchen, Kaufläden oder Spielzeugeisenbahnen kamen über das Jahr in ein „Versteck“, was zudem zu ihrer Schonung beitrug. Entstaubt und aufpoliert kehrten sie jährlich zu Weihnachten im neuen Glanz zurück. An Heiligabend gab es dann neue Produkte und Zuckernaschereien im Laden oder weiteres Zubehör für die Küche zum Spielen. Im Januar, etwa zu Dreikönig, spätestens zu Maria Lichtmess am 2. Februar – dem Ende der Weihnachtszeit – wurde der Weihnachtsbaum abgeputzt und die Geschenke wieder weggepackt. Sie warteten nun im Keller oder auf dem Dachboden auf ihren nächsten großen Auftritt. Kleinere Spielsachen wie Bälle oder Puppen, die das Christkind oder der Weihnachtsmann gebracht hatten, durften die Kinder meist behalten.

Neugierig geworden?

Besuchen Sie unsere Sonderausstellung Kinderträume. Hier erfahren Sie mehr über Spielen, Lernen und Leben um 1900.

Weitere Lieblinge aus Kindertagen sind ab 1. Dezember 2023 in der Begleitausstellung Spielzeug-Schätze zu bestaunen.

Um Ihnen die Zeit bis Weihnachten zu verkürzen, haben wir einen besonderen digitalen Adventskalender für Sie. Hinter 24 Türchen verbergen sich Objekte und Geschichten rund um die Themen Spielen und Kindheit. 
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